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Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)

Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)

Titel: Die Wahrheit hat nur ein Gesicht (German Edition)
Autoren: Stella Brightley
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hast.«
    Emma sah ihn an, sie wollte noch etwas sagen, drehte sich dann aber wortlos um und verließ das Büro.

    Draußen auf der Straße holte sie erst einmal tief Luft. Ihr Kopf hämmerte und ihre Gedanken rasten. Ihre Mutter wollte sie noch aus dem Grab dazu bringen, sich mit Alex zu treffen. Ein raffinierter Schachzug, das musste sie zugeben. All die Jahre hatte ihre Mutter versucht, sie und Alex wieder zu versöhnen, aber Emma hatte jeden Versuch zurückgewiesen; und das war auch der Grund gewesen, warum sie den Kontakt zu ihrer Mutter abgebrochen hatte. Sie konnte mit ihr nicht über das reden, was vorgefallen war. Sie wollte nichts erklären, nichts hören, sie wollte nur die Bilder aus ihrem Kopf bekommen, die sie seit fünf Jahren Nacht für Nacht verfolgten.
    Einmal war ihre Mutter sogar angereist. Aber sie hatte sie nicht hereingelassen. Hatte sich in ihrem Haus verschanzt und sich tot gestellt. Sie wusste, wenn sie sich von ihr in ein Gespräch ziehen lassen würde, würde ihr Widerstand brechen. Sie kannte die Redekünste ihrer Mutter. Und sie wollte nicht zurück. Sie konnte nicht zurück! Auf gar keinen Fall! Als ihre Mutter dann endlich aufgab, die Klingel schwieg, hatte Emma stundenlang geweint. Aber es half alles nichts. Was geschehen war, konnte nicht wieder rückgängig gemacht werden. Das Leben ging weiter.
    Mit langen Schritten eilte Emma die Straße entlang. Bewegung hatte sie schon immer beruhigt. Und die Zigaretten! Emma suchte in ihrer Tasche nach der Schachtel, aber sie hatte ihre letzte Zigarette auf dem Friedhof geraucht. Sie sah sich suchend um und entdeckte am Ende der Straße einen Kiosk.
    Als sie näher kam, sprang ihr von der Titelseite einer Zeitung plötzlich ihr eigenes Bild entgegen. Dieser verdammte Fotograf! Sie im Arm von Alex daneben ein Bild ihrer Mutter. Die Schlagzeile: Überraschender Tod einer Sängerin! Emma überflog den Artikel. Banalitäten über das Leben und den Tod ihrer Mutter und ein Satz über sie:
    Die schöne Tochter der Toten, Emma Cavendish findet Trost im Arm des berühmten Pianisten Alex Landon .
    Emma starrte auf das Bild. Sie selbst blickte erschrocken in die Kamera, doch Alex betrachtete sie. Was lag in seinem Blick? Freundlichkeit, ja, aber auch – Emma stutzte - Zärtlichkeit? Schnell legte Emma die Zeitung zurück auf den Stapel. Doch dann griff sie erneut zu und kaufte das Blatt. Sie würde das Bild aufbewahren. Es dokumentierte ihre letzte Begegnung mit Alex, den sie nie wieder sehen würde, das war sicher. Vor allem nicht durch Zwang. Diesen Gefallen konnte sie ihrer Mutter beim besten Willen nicht tun.
    Sie kaufte auch Zigaretten, und, als sie in ihrer Tasche nach einem Feuerzeug suchte, hatte sie plötzlich den Hausschlüssel ihrer Mutter in der Hand. Den Schlüssel hatte ihr Dillingham noch vor der Beerdigung in die Hand gedrückt. Das Haus gehörte ja jetzt quasi Emma und er wollte ihr die Möglichkeit geben, dort hinzugehen. Vielleicht auch dort zu wohnen, im Augenblick schlief sie noch im Hotel.
    Emma betrachtete den Schlüssel. Nach dem, was sie jetzt wusste, hätte Dillingham ihn ihr gar nicht geben dürfen. Denn wenn sie auf den Deal mit Alex nicht einging, würde dieses Haus in fremde Hände gehen. Er hatte ihr den Schlüssel aber gegeben und damit drückte er aus, was er dachte. Für ihn war klar, dass sie auf den Deal eingehen würde. Ja, eingehen musste! Für ein paar Stunden Musizieren auf ein Vermögen verzichten? Wie dumm kann man denn sein?
    »Dann bin ich eben dumm!« Trotzig reckte Emma ihr Kinn. »Ich lasse mich doch nicht erpressen!«
    Der Schlüssel lag immer noch in ihrer Hand und sah sie irgendwie fragend an. Okay! Einmal ins Haus, das war nicht verboten! Und Henry Dillingham hatte es ja geradezu darauf angelegt, dass sie dort hinging. Ja, sie würde hingehen, aber nicht, um dort zu bleiben, sondern sie würde Abschied nehmen. Und dann würde sie London endgültig verlassen und nie wieder zurückkehren.

3

    Das Haus Ihrer Mutter lag im Londoner Stadtteil Mayfair. Eine wunderschöne kleine Villa, sehr gepflegt, mit einem großen Garten. Hier hatte Emma ihre Kindheit verbracht.
    Mit gemischten Gefühlen öffnete sie die Gartentür. Wie hatte sie diesen Ort geliebt. Die kleinen verwunschenen Ecken, die Sträucher, in denen sich Tatjana immer versteckte, und zwar so, dass es fast unmöglich war, sie zu finden. Dazu kletterte sie an die unmöglichsten und auch gefährlichsten Stellen. Einmal saß sie im Apfelbaum ganz oben.
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