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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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stehen und versuchte, den Anblick zu begreifen, der sich ihr hier bot.
    Die Frau stand wirklich und wahrhaftig aufrecht da.
    Ihr Gesicht ließ kaum auf ihr Geschlecht schließen. Das mußte daran liegen, daß ihr die Haare fehlten. Als Hanne näher trat, sah sie, daß die Augenbrauen der Frau unnatürlich aussahen, sie waren aufgemalt, saßen etwas zu hoch, waren zu kräftig. Über dem linken Auge beschrieb die gezeichnete Braue einen Bogen zum Nasenrücken, was den skeptischen Ausdruck noch verstärkte. Die Augen standen offen. Sie waren blaßblau, klein und wimpernlos. Der Mund dagegen war wohlgeformt und die Lippen waren füllig. Der Mund sah jünger aus als das restliche Gesicht, frisch repariert, sozusagen.
    »Turid Stahlberg«, sagte Billy T., er hatte die Hälfte der Anwesenden aus der Wohnung geschickt, was die Stimmung beträchtlich beruhigt hatte. »Sie heißt Turid, wird aber in der Familie Tutta genannt.«
    »Stahlberg«, sagte Hanne leicht verwirrt und schaute sich in der gediegenen Küche um. »Doch nicht die Familie Stahlberg?«
    »Doch. Hermann, der Vater des Hauses, ist auch der Älteste der drei in der Diele. Preben habe ich dir ja schon vorgestellt. Er ist zweiundvierzig. Wieso fällt die Frau da eigentlich nicht um?«
    Billy T. beugte sich vor und versuchte, hinter die stehende Frau zu schauen. Ihr breites Hinterteil lehnte gegen das Spülbecken. Ihre Füße standen breitbeinig auf dem Boden, als sei sie dem Mörder mit gespreizten Beinen entgegengetreten.
    »Sie stützt sich hier ein wenig auf«, murmelte Billy T. »Mit dem Hintern. Aber der Oberkörper … warum fällt sie nicht?«
    Ein schwaches, reißendes Geräusch hätte ihn warnen sollen, als er sich über die Leiche beugte und nach einer Erklärung suchte. Die Frau, die mindestens siebzig Kilo wog, brach über ihm zusammen und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Zuerst fiel er auf die Knie. Der Boden war vom Tee aus einer zerbrochenen Thermoskanne und von etwas wie Honig oder Sirup verklebt. Billy T.s Knie glitt blitzschnell zur Seite.
    »Hanne! Verdammt! Hilfe!«
    Billy T. lag zappelnd unter einer rosa gekleideten, kahlköpfigen Frauenleiche.
    »Was zum …«
    Die Verwünschungen von zwei Kollegen von der Spurensicherung hallten von den Wänden wider.
    »Bleib still liegen. Bleib ganz still liegen!«
    Fünf Minuten später durfte Billy T. dann endlich aufstehen, und er wirkte kleinlauter, als Hanne ihn seit einer Ewigkeit erlebt hatte.
    »Tut mir leid, Jungs«, murmelte er und wollte ihnen dabei helfen, die Tote auf eine Bahre zu legen.
    »Verschwinde hier«, fauchte der eine Kollege. »Du hast schon genug Unheil angerichtet.«
    Erst jetzt fiel Hanne im Spülbecken, vor dem die Frau gestanden hatte, eine saubergeleckte Kuchenschüssel auf. In Resten fetter Sahne waren die Spuren einer Tierzunge zu ahnen. Struppige graue Haare klebten an den Rändern.
    »Tutta ist immerhin vom Hund verschont worden«, sagte sie trocken. »Gerettet von der Sahnetorte.«
    »Ich glaube, sie wollten etwas feiern«, sagte Billy T. »Im Wohnzimmer steht eine geöffnete, aber unangetastete Champagnerflasche. Vier Gläser. Ja, ja, ich geh ja schon. Ich hau ab, hab ich gesagt!«
    Die Spurensicherung brachte gerade die Bahre aus der Küche hinüber in das Wohnzimmer.
    »Vier Gläser«, wiederholte Hanne und folgte ihm in das große, üppig möblierte Zimmer.
    »Und Schnittchen. Oder Butterbrote.«
    Die Schnittchenplatte stand auf dem Eßtisch. Sie wies nur noch ein Salatblatt und drei Gurkenscheiben auf, von denen die Majonäse abgeleckt worden war.
    »Hatten sie einen Hund?«, fragte Hanne zerstreut.
    »Nein«, sagte Silje Sørensen, und Hanne fiel zum ersten Mal auf, daß sie sich hereingeschlichen hatte. »Hier im Haus waren Hunde verboten. Genauer gesagt, die Eigentümerversammlung hatte beschlossen, daß niemand ein Tier halten darf.«
    »Woher weißt du das jetzt schon?«
    »Die Nachbarin«, sagte Silje und zeigte vage in Richtung Straße. »Ich habe mit einer Frau gesprochen, die hier genau gegenüber wohnt.«
    »Was hast du sonst noch erfahren?«
    »Nicht viel.«
    Silje Sørensen feuchtete die Fingerspitzen an und blätterte in einem Spiralblock. An ihrer rechten Hand funkelte ein gediegener Diamantring.
    »Die Leute von oben«, sie zeigte zur Decke, »sind verreist. Sie haben ein Ferienhaus in Spanien und sind seit November dort.«
    »Und kümmert sich niemand um die Wohnung?«
    »Diese Frau von gegenüber, Aslaug Kvalheim, sagt, daß die Tochter ab und zu
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