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Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Wahrheit dahinter: Kriminalroman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt
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könnte man wohl sagen.«
    »Eckersbergs gate, hast du gesagt?«
    »Nummer fünf.«
    »Bin in zehn Minuten da.«
    »Bei mir kann es etwas länger dauern.«
    Sie legten gleichzeitig auf, Hanne trank den letzten Schluck Kaffee und erhob sich.
    »Willst du noch weg?«
    Marry stand breitbeinig in der Tür und stemmte die Hände in die Hüften. Ihr Blick zwang Hanne dazu, sich wieder zu setzen. Sie hob abwehrend die Hände.
    »Das ist wirklich ein sehr wichtiger Fall«, sagte sie.
    »Du kannst mich mal mit deinem Wichtig«, bellte Marry. »Nefis kommt in einer halben Stunde nach Hause. Sie ist schon unterwegs vom Flugplatz. Jetzt war sie eine ganze Woche weg, und ich stehe seit sieben in der Küche. Du bleibst hier!«
    »Ich muß dahin.«
    Marry biß sich auf die Lippen. Für einen Moment schien sie an etwas ganz anderes zu denken.
    »Dann mußt du was zu essen mitnehmen. Triffst du dich mit diesem Grobian?«
    »Mmm.«
    Zehn Minuten später war Hanne fertig. In ihrer Schultertasche lagen zwei Plastikdosen mit Rentierbraten, ein halbes, in Scheiben geschnittenes Brot mit einer dicken Schicht Butter, zwei Äpfel, anderthalb Liter Cola, eine große Tafel Schokolade, eine Packung Servietten, zwei Plastikbecher und außerdem Silberbesteck. Sie versuchte zu protestieren.
    »Es ist doch mitten in der Nacht, Marry. Soviel brauch ich wirklich nicht.«
    »Aber sicher doch. Wir wissen schließlich nie, wann wir dich wieder sehen«, murmelte Marry. »Und vergiß nicht, das Silberbesteck wieder mitzubringen.«
    Dann schloß sie sorgfältig hinter Hanne die Tür ab, alle drei Schlösser.
    Sie würde sich wohl nie an diese Straßen gewöhnen. Die großen Lücken zwischen den prachtvollen Mietshäusern und den abweisenden, dunklen Villen schufen eine Atmosphäre der Angst, des drohenden Unheils. Ab und zu überquerte ein Fußgänger mit niedergeschlagenem Blick die Straße und bemühte sich, mit niemandem Blickkontakt aufzunehmen. Daß Marry sich einschloß, war nur natürlich. Nach fast einem halben Jahrhundert Drogenkonsum brauchte sie einfach eine gewisse Isolation. Warum alle anderen in dieser Gegend sich aber genauso einigelten, war unbegreiflich. Vielleicht waren sie immer verreist. Vielleicht wohnte hier in Wirklichkeit kein Mensch. Ganz Frogner ist eine Kulisse, dachte Hanne. Sie zog ihre Winterjacke fester um sich.
    Doch bei dem Steinhaus Eckersbergs gate 5 war der Bär los. Rotweißes Absperrband hielt eine kleine neugierige Zuschauergruppe zurück, doch innerhalb des abgegrenzten Gebietes wimmelte es nur so von Uniformierten. Hanne erkannte mehrere Presseleute, die immer die jüngsten und unerfahrensten Polizisten ansprachen, geschockte Bereitschaftsleute, unerfahren, erregt, leicht zum Reden zu bringen. Es kamen immer neue Presseleute dazu, unerklärlich schnell, als ob sie alle in der Gegend wohnten. Als sie Hanne Wilhelmsen sahen, zogen sie in der Kälte einfach nur die Schultern hoch oder hoben kurz den Kopf zu einem gleichgültigen Gruß.
    »Hanne. Wie schön!«
    Oberwachtmeisterin Silje Sørensen riß sich von einer Gruppe eifrig gestikulierender Kollegen los.
    »Himmel«, sagte Hanne und musterte die andere von Kopf bis Fuß. »Du trägst Uniform? Hier scheint ja wirklich was los zu sein.«
    »Hatte eine Sonderschicht. Aber stimmt, hier ist wirklich was los. Komm mit rein.«
    »Ich warte noch. Billy T. kommt gleich.«
    Die provisorische Beleuchtung, die die Polizei schon aufgebaut hatte, blendete die Augen und machte es fast unmöglich, sich von der Straße einen allgemeinen Eindruck zu verschaffen. Hanne trat einige Meter zurück und hielt sich die Hand wie einen Schirm über die Augen. Das half ein wenig, und sie ging auf die andere Seite hinüber.
    »Was suchst du denn«, fragte Silje Sørensen, die ihr gefolgt war.
    Silje fragte immer irgendwas. Nervte. Was suchst du? Was tust du? Was denkst du? Wie ein Kind. Wie ein aufgewecktes, aber ein wenig anstrengendes Kind.
    »Nichts. Ich seh mich einfach nur um.«
    Das Haus war in Altrosa gestrichen und hatte breite Gesimse. Über jedem Fenster kämpfte eine Männergestalt mit einem entsetzlichen Fabeltier. Der Vorgarten war klein und von Steinfliesen durchzogen, und ein breiter Gehweg, der um die westliche Hausecke herumführte, ließ auf einen beeindruckenderen Hinterhof schließen. Im Haus schien es nur vier Wohnungen zu geben. In der oben links gelegenen brannte kein Licht. Aus dem Erdgeschoß und dem ersten Stock rechts fiel sparsames Lampenlicht. Damit stand fast
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