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Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder!
Autoren: Bertha von Suttner
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wenn der Feind siegte? Diese Frage ließ ich einmal im Kreise meiner militärischen Freunde laut werden – wurde aber schmählich niedergezischt. Das bloße Erwähnen von der Möglichkeit eines Schattens eines Zweifels ist schon antipatriotisch. Im voraus seiner Unüberwindlichkeit sicher sein, gehört mit zu den Soldatenpflichten. Also gewissermaßen auch zu den Pflichten einer loyalen Leutnantsfrau.
    Das Regiment meines Mannes lag in Wien. Von unserer Wohnung hatte man die Aussicht auf den Prater, und wenn man da ans Fenster trat, wehte es sommerlich verheißend herein. Es war ein wundervoller Frühling. Die Luft war lau und veilchenduftend, und zeitiger als in anderen Jahren sproßte das junge Laub hervor. Auf die im kommenden Monat bevorstehenden großen Praterfahrten freute ich mich unbändig. Wir hatten uns zu diesem Zweck ein kokettes »Zeugel« angeschafft, nämlich einen Kutschierwagen mit einem Viererzug von ungarischen Judern. Schon jetzt, in diesen herrlichen Apriltagen, fuhren wir beinahe täglich in den Prateralleen spazieren, aber das war nur ein Vorkosten des eigentlichen Maigenusses. Ach, wenn nur bis dahin nicht etwa der Krieg ausbräche! ...
    »Na, Gott sei Dank – jetzt hat die Unentschiedenheit ein Ende!« – rief mein Mann, als er am Morgen des neunzehnten April vom Exerzieren nach Hause kam. »Das Ultimatum ist gestellt.«
    Ich erschrak. »Wie – was – was heißt das?«
    »Das heißt, das letzte Wort der diplomatischen Verhandlungen, welches der Kriegserklärung vorausgeht, ist gesprochen. Unser Ultimatum an Sardinien fordert, daß Sardinien entwaffne – was dieses natürlich bleiben läßt, und wir marschieren über die Grenze.«
    »Großer Gott! – Vielleicht aber entwaffnen sie?«
    »Nun dann wäre der Streit auch beigelegt und es bleibt Frieden.«
    Ich fiel auf die Knie – ich konnte nicht anders. Lautlos und dennoch heftig wie ein Schrei, schwang sich aus meiner Seele die Bitte zum Himmel: »Frieden, Frieden!« Arno hob mich auf: »Du närrisches Kind!«
    Ich schlang meine Arme um seinen Hals und fing zu weinen an. Es war kein Schmerzensausbruch, denn noch war ja das Unglück nicht entschieden – aber die Nachricht hatte mich so erschüttert, daß meine Nerven zitterten und diesen Tränensturz verursachten.
    »Martha, Martha, du wirft mich böse machen,« schau Arno. »Bist du denn mein braves Soldatenweiblein? Vergissest du, daß du Generalstochter, Oberleutnantsfrau und« – schloß er lächelnd – »Korporalsmutter bist?«
    »Nein, nein, mein Arno ... Ich begreife mich selber nicht ... Das war nur so ein Anfall... ich bin ja doch selber für militärischen Ruhm begeistert ... aber ich weiß nicht – vorhin, als du sagtest, alles hänge von einem Worte ab, das jetzt gesprochen werden soll – ein Ja oder Nein auf das sogenannte Ultimatum – und dieses Ja oder Nein solle entscheiden, ob Tausende bluten und sterben sollen – sterben in diesen sonnigen, seligen Frühlingstagen – da war mir, als müßte das Friedenswort fallen und ich konnte nicht anders als betend niederknien –«
    »Um dem lieben Gott die Sachlage mitzuteilen, du Herzensnärrchen?«
    Die Hausglocke ertönte. Schnell trocknete ich meine Tränen. Wer konnte das sein – so früh?
    Es war mein, Vater. Er kam heftig hereingestürzt.
    »Nun Kinder,« rief er atemlos, indem er sich in einen Lehnsessel warf. »Wißt ihr schon die große Nachricht – das Ultimatum ...«
    »Soeben habe ichs meiner Frau erzählt ...«
    »Sag' Papa, was meinst du,« fragte ich bange, »wird der Krieg dadurch abgewendet?«
    »Ich wüßte nicht, daß ein Ultimatum jemals einen Krieg abgewendet hätte. Vernünftig wäre es wohl von diesem italienischen Jammerpack, wenn es nachgeben würde und sich keinem neuen Novara aussetzte ... Ach, wäre der gute Vater Radetzky nicht voriges Jahr gestorben, ich glaube, er hätte, trotz seiner neunzig Jahre, sich noch einmal an die Spitze seines Heeres gestellt und ich wäre, bei Gott, auch wieder mitmarschiert ... Wir zwei haben's ja schon gezeigt, wie man mit dem welschen Gesindel fertig wird. Sie haben aber noch nichts genug daran, die Katzelmacher – sie wollen eine zweite Lektion haben! Auch recht: unser lombardisch-venetianisches Königreich wird sich durch das piemontesische Gebiet ganz schön vergrößern lassen – ich sehe schon den Einzug unserer Truppen in Turin.«
    »Aber Papa, du sprichst ja, als wäre der Krieg schon erklärt und als wärst du darüber froh. Doch wie, wenn Arno
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