Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Waffen nieder!

Die Waffen nieder!

Titel: Die Waffen nieder!
Autoren: Bertha von Suttner
Vom Netzwerk:
Zweifeln wurde ich noch im Verlauf des Balles befreit, denn während des Souperwalzers flüsterte der Unvergleichliche mir zu:
    »Hören Sie mich an – ich kann nicht anders.– Sie müssen es erfahren – heute noch: ich liebe Sie.«
    Das klang ein bißchen anders angenehm als Johannas famose »Stimmen« ... Aber so im Weitertanzen konnte ich doch nichts antworten. Das mochte er einsehen, denn jetzt hielt er inne. Wir standen in einer leeren Ecke des Saales und konnten die Unterhaltung unbelauscht fortführen:
    »Sprechen Sie, Gräfin, was habe ich zu hoffen?«
    »Ich verstehe Sie nicht,« log ich.
    »Glauben Sie vielleicht nicht an ›Liebe auf den ersten Blick‹? Bis jetzt hielt ich es selber für eine Fabel, aber heute habe ich die Wahrheit davon erprobt.«
    Wie mir das Herz klopfte! Aber ich schwieg.
    »Ich stürze mich kopfüber in mein Schicksal,« fuhr er fort ... »Sie oder keine! Entscheiden Sie über mein Glück oder über meinen Tod ... denn ohne Sie kann und will ich nicht leben ... Wollen Sie die Meine werden?«
    Auf eine so direkte Frage mußte ich doch etwas erwidern. Ich suchte nach einer recht diplomatischen Phrase, die – ohne jegliche Hoffnung abzuschneiden – meiner Würde nichts vergäbe, brachte aber weiter nichts hervor als ein zitternd gehauchtes »Ja«.
    »So darf ich morgen bei Ihrer Tante um Ihre Hand anhalten und dem Grafen Althaus schreiben?«
    Wieder »ja« – diesmal schon etwas fester.
    »O, ich Glücklicher! Also auch auf den ersten Blick? – Du liebst mich?« Jetzt antwortete ich nur mit den Augen – doch diese, glaub' ich, sprachen das allerdeutlichste »Ja«.
    * * *
    An meinem achtzehnten Geburtstage wurde ich getraut, nachdem ich zuvor in die »Welt« eingeführt und der Kaiserin »als Braut« vorgestellt worden war. Nach unserer Hochzeit unternahmen wir eine Italienreise. Zu diesem Zweck hatte Arno einen längeren Urlaub genommen. Von einem Austritt aus dem Militärdienste war niemals die Rede gewesen. Zwar besaßen wir beide ziemlich ansehnliches Vermögen – aber mein Mann liebte seinen Stand und ich mit ihm. Ich war stolz auf meinen schmucken Husarenoffizier und sah mit Befriedigung der Zeit entgegen, da er zum Rittmeister – zum Obersten – und einst zum Generalgouverneur vorrücken würde ... Wer weiß, vielleicht sollte er als großer Feldherr in der vaterländischen Ruhmesgeschichte glänzen ...
    Daß die roten Hefte gerade in der seligen Brautzeit und während der Flitterwochen eine Lücke aufweisen, tut mir jetzt sehr leid. Verflogen, verweht, in Nichts verflattert wären die Wonnen jener Tage freilich ebenso, wenn ich sie auch eingetragen hätte, aber wenigstens wäre ein Abglanz davon zwischen den Blättern festgebannt. Aber nein: für meinen Gram und meine Schmerzen fand ich nicht genug Klagen, Gedankenstriche und Ausrufungszeichen; die jammervollen Dinge mußten der Mit- und Nachwelt sorgfältig vorgeheult werden, aber die schönen Stunden, die habe ich schweigend genossen. – Ich war nicht stolz auf mein Glücklichsein und gab es daher niemand – nicht einmal mir selber im Tagebuche – kund und zu wissen! Nur das Leiden und Sehnen empfand ich als eine Art Verdienst, daher das viele Großtun damit. Wie doch diese roten Hefte alle meine traurigen Lagen getreulich spiegeln, während zu frohen Zeiten die Blätter ganz unbeschrieben blieben. Zu dumm! Das ist, als sammelte einer während eines Spazierganges – um Andenken daran nach Hause zu bringen – als sammelte er von den Dingen, die er auf dem Wege findet, nur das Häßliche; als füllte er seine Botanisierbüchse nur mit Dornen, Disteln, Würmern, Kröten, und ließe alle Blumen und Falter weg.
    Dennoch, ich erinnere mich: es war eine herrliche Zeit. Eine Art Feenmärchentraum. Ich hatte ja alles, was ein junges Frauenherz nur begehren kann: Liebe, Reichtum, Rang, Vermögen – und das meiste so neu, so überraschend, so staunenerregend! Wir liebten uns wahnsinnig, mein Arno und ich, mit dem ganzen Feuer unserer lebensstrotzenden, schönheitssicheren Jugend. Und zufällig war mein glänzender Husar nebenbei ein braver, herzensguter, edeldenkender Junge, mit weltmännischer Bildung und heiterem Humor (er hätte ja ebenso gut – was bot der Marienbader Ball für eine Bürgschaft dagegen? – ein böser und ein roher Mensch sein können) und zufällig war auch ich ein leidlich gescheites und gemütliches Ding (er hätte auf besagtem Balle ebenso gut in ein launenhaftes hübsches Gänschen sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher