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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels
Autoren: Joseph Gelinek
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übersehen gewesen war: dass sein Landsmann der Glückliche war, den die Konzertgeigerin zu ihrem Lebensgefährten erwählt hatte.
    »Andrea, Maestro Claudio Agostini kennst du ja schon. Maestro, dies ist il mio fidanzato, wie Sie sagen würden: Andrea Rescaglio.«
    Der junge Mann, der um die dreißig Jahre alt sein mochte, war hochgewachsen, und man konnte ihn zwar nicht als kräftig bezeichnen, doch sein Körper war sehnig und gut proportioniert. Er trug die Haare lang, aber zu einer Art Samuraiknoten hochgebunden. Zudem hatte er sich ein sehr gepflegtes Bärtchen stehen lassen, das sich wie eine feine Pulverspur über den Unterkiefer zog und am Kinn in einer kleinen Spitze auslief.
    Er war erst halb umgekleidet und trug nur Hemd und Frackhose. Als er den Dirigenten erblickte, verbeugte er sich zum Zeichen des Respekts, als wäre er ein japanischer Krieger.
    Die beiden Männer gaben sich herzlich die Hände und tauschten sich über ihre jeweiligen Geburtsorte aus, doch dann erklärte Rescaglio, er wolle nicht stören, er sei nur gekommen, um seiner Verlobten viel Glück zu wünschen.
    »Einer der Kontrabässe möchte gerne ein Autogramm von dir«, sagte er zu Larrazábal. »Soll ich dir seinen Namen sagen und dir das Blatt einfach hierlassen?«
    »Muss das jetzt sein?«, fragte die Geigerin mit verdrossener Miene.
    »Nein, natürlich nicht«, erwiderte der Italiener sanft. »Wann immer du willst.«
    Dann fuhr er sich mit der Hand über die Stirn, als müsste er sich den Schweiß abwischen, und fragte: »Findet ihr es hier drin nicht auch wahnsinnig heiß?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zu einem kleinen Tisch, auf dem unter anderem zwei Gläser sowie eine Flasche Mineralwasser standen, und löschte seinen Durst. Agostini nutzte die Gelegenheit, ihm zu seinem guten Cellospiel bei den Proben zu gratulieren.
    »Ah, Andrea wurde von der Natur reich beschenkt«, sagte Larrazábal. Als sie merkte, wie mehrdeutig diese Feststellung war, stellte sie hastig klar: »In musikalischer Hinsicht, meine ich natürlich.«
    Agostini lachte nervös auf, während Rescaglio errötete und verlegen den Kopf senkte. Die Haut des Cellisten war so weiß und zart wie Reispapier, wodurch die Röte umso mehr auffiel.
    Rescaglio besaß große musikalische Sensibilität, und seine Technik war sehr ausgereift, doch in Gegenwart des Wunderkinds Ane Larrazábal fühlte er sich nicht würdig, gelobt zu werden. Sie hingegen nutzte jede Gelegenheit, ihn in Gegenwart von Dritten zu loben.
    »Wir machen regelmäßig gemeinsam Kammermusik«, sagte die Geigerin resolut. »Sie müssen uns einmal dabei zuhören.«
    »Das würde ich sehr gern«, erwiderte Agostini. »Allerdings ist mein Terminkalender in letzter Zeit voller als die Berliner Philharmonie, weil das Gerücht aufgekommen ist, ich würde mich bald zur Ruhe setzen. Alle Welt fragt bei mir an, und so habe ich unglücklicherweise nur Zeit, Musik zu machen, nicht aber, sie zu hören!«
    Dies mochte für lange Zeit Agostinis einzige Gelegenheit bleiben, sich mit Ane Larrazábal zu unterhalten, und so verabschiedete sich Rescaglio, damit seiner Verlobten und dem Maestro noch einige ungestörte Minuten vor dem Konzert blieben.
    Als Ane ihm zum Abschied zulächelte, geschah etwas sehr Seltsames. Das rechte Auge der Geigerin begann, sich unwillkürlich und unkontrollierbar zu bewegen. Rescaglio ging zu ihr, nahm sie zärtlich in die Arme und hielt sie einfach fest. In dieser Geste kamen so tiefe Gefühle zum Ausdruck, dass Agostini ausgesprochen peinlich berührt war, denn sogar für einen so unaufmerksamen Beobachter wie ihn spiegelten sich in der Art, wie Rescaglio die Arme um seine Verlobte geschlungen hatte, die verschiedensten Emotionen, von sexuellem Begehren bis hin zu Beschützerinstinkt. Gerade als der Dirigent Anstalten machte, sich zurückzuziehen, ließ Rescaglio seine Verlobte los, küsste sie auf die Stirn und verließ wortlos die Garderobe.

4
    I nspector Perdomo und sein Sohn Gregorio hatten gerade ihre Plätze in der Mitte des Konzertsaals eingenommen, da wurde über Lautsprecher angesagt, es blieben noch fünf Minuten bis zum Beginn des Konzerts und die Zuhörer sollten ihre Mobiltelefone ausschalten. Das machte Perdomo so nervös, dass er sein Telefon gleich drei Mal hintereinander überprüfte.
    Dann schlug er das Programmheft auf, das neben Informationen zu den Werken, die gespielt werden würden, die Biografien von Agostini und Larrazábal nebst ihren Fotografien enthielt.
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