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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels
Autoren: Joseph Gelinek
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Wirbelkastens –, als vielmehr weil der Teufel so wild dreinblickte, fast wie eine jener assyrischen Gottheiten, deren Rachedurst unersättlich war, wenn die Menschen erst einmal ihren Zorn erregt hatten.
    »Wenn ich so einen Teufel am Griff meines Taktstocks hätte, Signorina, könnte ich nachts nicht schlafen, glaube ich. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich ein solches Engelchen für die Schnecke auszusuchen?«
    »Dieses ›Engelchen‹, wie Sie es nennen, ist Baal, ein Gott des alten Kleinasien, der später dem jüdischen und dem christlichen Glauben als König der Hölle einverleibt wurde. Es heißt, ihm stünden sechsundsechzig Legionen von Dämonen zu Diensten, er sei fähig, die, die ihn anrufen, unsichtbar zu machen, und er könne die Menschen weise machen.«
    Es gibt Menschen, die sich bei der bloßen Erwähnung des Fürsten der Finsternis unbehaglich fühlen. Agostini gehörte zu ihnen, doch er versuchte, es sich in Gegenwart dieser attraktiven Frau nicht anmerken zu lassen.
    »Ich muss zugeben«, sagte der Dirigent äußerlich ungerührt, »dass es eine hervorragende Schnitzarbeit ist. Ist es ein Original?«
    »Meinen Sie, ob die Stradivari ursprünglich so gebaut wurde? Nein, es ist eine Verzierung, die ich nachträglich habe anbringen lassen.«
    »Wer hat die Arbeit für Sie ausgeführt?«
    »Arsène Lupot, mein Geigenbauer.«
    Agostini fiel es schwer, auch nur dem Blick des kleinen hölzernen Teufels standzuhalten. Er rückte ein Stück von der Geigerin ab.
    »Ich habe von ihm gehört. Einige Musiker des Orchesters der Scala vertrauen ihm ihre Instrumente an.«
    »In diesem Fall vermute ich, dass sie nicht mit Lupot persönlich zu tun haben, sondern mit einem seiner Gehilfen. Lupot selbst befasst sich nur mit den bedeutendsten Geigen: Guarneri del Gesù und Stradivari.«
    Dies waren die Namen der beiden größten Geigenbauer aller Zeiten. Ihre Instrumente erzielten Preise bis zu zwei Millionen Dollar, und der Wert der Geigen großer Solisten wie Yehudi Menuhin oder Jascha Heifetz war unschätzbar. Fachleute in aller Welt hatten schon wahre Tintenströme vergossen bei dem Versuch, zu erklären, warum die heutigen Kunsthandwerker nicht mehr in der Lage sind, die Klangfülle und das Timbre dieser Instrumente zu erreichen, obwohl ihnen die gesamte Technologie des einundzwanzigsten Jahrhunderts zur Verfügung steht. Manche sagten, es liege am Lack, andere, an der Dichte des Holzes. Am plausibelsten war jedoch die Theorie, dass der herrliche satte Klang dieser Instrumente sich dem Einsatz von Metallsalzen bei der Behandlung des Klangkörpers verdanke.
    »Mich wundert, dass Sie eine Stradivari spielen«, sagte Agostini. »Schließlich spielte der von Ihnen so verehrte Paganini eine Guarneri, soweit ich weiß.«
    »Genannt il cannone, die Kanone, wegen ihres großen, kräftigen Klangs. Aber Maestro, Paganini besaß viele Geigen. Als er 1840 starb, hinterließ er seinem Sohn Achille eine erstaunliche Sammlung, darunter sieben Stradivaris. Ich stelle mir gern vor, dass diese hier eine davon ist.«
    »Wie ist sie in Ihre Hände gelangt?«
    »Sie ist im Besitz meiner Familie, seit mein Großvater sie erwarb, offenbar bei einer Auktion, die 1950 in Lissabon stattfand. Glauben Sie mir, Maestro, ich habe Paganinis Guarneri gehört. Sie ist im Palazzo Municipale in Genua ausgestellt, wird aber regelmäßig gespielt, und diese Strad hat einen sehr ähnlichen Klang.«
    »Industriespionage zwischen den beiden großen Cremoneser Geigenbauern?«, fragte der Italiener.
    »Möglich. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass die Klangfülle einer Violine von der Persönlichkeit des Geigers abhängt, nicht von der des Geigenbauers. David Oistrach zum Beispiel, der einer der ganz Großen war, spielte ein nicht einmal mittelmäßiges Instrument.«
    »Dieses Bildnis an Ihrer Geige«, sagte Agostini, bemüht, das Instrument nicht anzusehen, denn die Fratze flößte ihm allmählich körperliches Unbehagen ein, »bedeutet das, dass Sie glauben, um wie Paganini zu spielen, müsse man wie er seine Seele dem Teufel verkaufen?«
    Zunächst schien es, als wollte die junge Geigerin auf die Frage eingehen, doch dann überraschte sie den Italiener mit einer Gegenfrage.
    »Wissen Sie, Maestro, wie es dazu kam, dass die Leute glaubten, Paganini habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?«
    »Ich habe gehört, seine Zeitgenossen hätten sich nicht erklären können, wie ein Mensch ein solches Maß an Virtuosität erreichen konnte, und
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