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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug
Autoren: Eckart Klessmann
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Der Zarversprach in Erfurt, für den Fall eines Krieges eine Entlastungsfront an Österreichs Ostgrenze aufzubauen, ließ aber gleichzeitig heimlich in Wien wissen, man werde sich auf militärische Scheinoperationen beschränken, nicht aber wirklich angreifen, weswegen Österreich dann nach Kriegsausbruch seine Truppen von der Ostgrenze abziehen konnte. Die passive Haltung seines Verbündeten ärgerte Napoleon, und er beschloß, es mit seinen gegebenen Zusagen ebenfalls nicht so ernst zu nehmen.
    In Erfurt war es ihm gelungen, Alexander die Anerkennung der neuen spanischen Verhältnisse abzuringen. Da Napoleons spanischer Verbündeter die Abschottung seiner Häfen gegen den englischen Handel nicht ernsthaft betrieb, hatte er kurzerhand das spanische Königshaus abgesetzt und seinen Bruder Joseph zum neuen König von Spanien ernannt. Portugal war schon vorher annektiert worden. Um Alexander die Anerkennung dieser Gewaltakte zu versüßen, hatte Napoleon ihn obendrein bereits bei den Tilsiter Verhandlungen zum Krieg gegen das mit England liierte Schweden ermuntert, um diesem die finnischen Provinzen (Finnland existierte damals noch nicht als souveräner Staat) abzunehmen, was dann im Winter 1808/09 geschah. Mit diesem Eroberungskrieg sollten nach Napoleons Plan die Russen Truppen aus ihrem Krieg mit dem Osmanischen Reich abziehen. Denn der französische Kaiser wünschte nicht, daß deren Sieg über die Türken dazu führte, den bislang teilweise türkischen Balkan zur russischen Einflußsphäre zu machen – obwohl er Rußland den Besitz der Fürstentümer Moldau und Walachei zugesprochen hatte – und der russischen Flotte damit den Zugang zum Mittelmeer zu ermöglichen. In geheimen Verhandlungen ermunterte Napoleon deshalb die Regierung in Konstantinopel, den Krieg gegen die Russen unbedingt fortzusetzen.
    Außerdem gab es da noch eine andere sehr delikate Sache, die zu Irritationen am Zarenhof geführt hatte. In Erfurt hatte Napoleon den Zaren mit seiner Absicht vertraut gemacht, sichvon seiner Frau Josephine, die ihm keine Kinder gebar, scheiden zu lassen. Nun wollte er eine Prinzessin heiraten, um mit ihr eine neue Dynastie zu gründen. Großfürstin Anna, die erst fünfzehnjährige Schwester Alexanders, schien ihm die richtige Wahl hierfür. Alexander hatte keine ernsthaften Einwände, wohl aber die Zarinmutter, die heftig gegen diesen Plan protestierte. Schließlich entschied sich Napoleon, dem das russische Hinhalten mißfiel, 1809 nach der Niederlage Österreichs überraschend für Marie Louise, die achtzehnjährige Tochter des österreichischen Kaisers Franz II. und Marie Thereses. Im April 1810 fand die Hochzeit in Paris statt. Der Zar fühlte sich düpiert.
    Ein weiterer Konfliktpunkt war der ewige Zankapfel Polen. Das geschundene Land gab es als eigenen Staat nicht mehr, seit es dreimal zwischen Preußen, Österreich und Rußland geteilt worden war. Nachdem Napoleon 1805 die Österreicher und 1806 die Preußen samt deren russischen Alliierten besiegt hatte, formte er aus den polnischen Provinzen Österreichs und Preußens das Herzogtum Warschau, einen Satellitenstaat Frankreichs. Die Polen betrachteten nun Napoleon als ihren Befreier und erwarteten von ihm die Wiederherstellung ihres alten Königreichs (mit Litauen und Weißrußland), wovon Napoleon aber aus Rücksicht auf Alexander nichts wissen wollte. Doch der Zar traute der Sache nicht, zumal sich Napoleon nicht auf eine feierliche Garantie verpflichten ließ.
    Nachdem England während des Krieges zwischen Österreich und Frankreich 1809 Truppen in Holland gelandet hatte, dort aber eine schmähliche Niederlage hinnehmen mußte, rechnete Napoleon mit einer möglichen Invasion englischer Truppen im Bereich der deutschen Nordseeküste. Ende 1810 wurden die drei Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck mit den Mündungsgebieten von Weser und Elbe dem französischen Kaiserreich einverleibt und dabei das im Wege stehende Herzogtum Oldenburg gleich mit aufgelöst. Dessen Souverän war aber ein Schwager des Zaren, der über diesenHandstreich außer sich geriet, zumal Napoleon im Vertrag von Tilsit die Unverletzlichkeit des Herzogtums garantiert hatte.
    Am 31. Dezember 1810 erließ Alexander einen Ukas, wonach Rußland seine Häfen den englischen und neutralen Schiffen öffnete und damit die Handelsblockade aufhob, und im Gegenzug den Import französischer Waren (wie von England gefordert) verbot. Es war höchste Zeit für diesen Schritt, denn Rußlands
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