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Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Autoren: Heinrich Böll
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trug einen Bademantel aus grüner Baumwolle, der mit
    Margueriten bestickt war, war darunter unbekleidet, und als sie von Kommissar
    Beizmenne (»ziemlich barsch«, wie sie später erzählte) gefragt wurde, wo Götten
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    geblieben sei, sagte sie, sie wisse nicht, wann Ludwig die Wohnung verlassen
    habe. Sie sei gegen . Uhr wach geworden, und da sei er schon weg gewesen.
    »Ohne Abschied?« »Ja.«
    12.
    An dieser Stelle sollte man etwas über eine höchst umstrittene Frage von
    Beizmenne erfahren, die Hach einmal zum besten gab, widerrief, dann noch
    einmal erzählte und zum zweitenmal widerrief. Blorna hält diese Frage für
    wichtig, weil er glaubt, daß, wenn sie wirklich gestellt worden sei, hier und
    nirgendwo anders der Beginn von Katharinas Verbitterung, Beschämung und
    Wut gelegen haben könnte. Da Blorna und seine Frau Katharina Blum als in
    sexuellen Dingen äußerst empfindlich, fast prüde schildern, muß die Möglichkeit ,
    Beizmenne könnte – ebenfalls in höchster Wut über den entschwundenen
    Götten, den er sicher zu haben glaubte – die umstrittene Frage gestellt haben,
    hier erwogen werden. Beizmenne soll die aufreizend gelassen an ihrer Anrichte
    lehnende Katharina nämlich gefragt haben: »Hat er dich denn gefickt«, woraufhin
    Katharina sowohl rot geworden sein wie in stolzem Triumph gesagt haben soll:
    »Nein, ich würde es nicht so nennen.«
    Man kann getrost annehmen, daß, wenn Beizmenne diese Frage gestellt
    hat, von diesem Augenblick an keinerlei Vertrauen mehr zwischen ihm und
    Katharina entstehen konnte. Die Tatsache, daß es tatsächlich nicht zu einem
    Vertrauensverhältnis zwischen den beiden kam – obwohl Beizmenne, der als »gar
    nicht so übel« gilt, es nachweislich versuchte –, sollte aber nicht als endgültiger
    Beweis dafür angesehen werden, daß er die ominöse Frage wirklich gestellt hat.
    Hach jedenfalls, der bei der Haussuchung zugegen war, gilt unter Bekannten
    und Freunden als »Sexklemmer«, und es wäre durchaus möglich, daß ihm selbst
    ein so grober Gedanke gekommen ist, als er die äußerst attraktive Blum da so
    nachlässig an ihrer Anrichte lehnen sah, und daß er diese Frage gern gestellt oder
    die so grob definierte Tätigkeit gern mit ihr ausgeübt hätte.
    13.
    Die Wohnung wurde anschließend gründlich durchsucht, es wurden einige
    Gegenstände beschlagnahmt, vor allem Schriftliches. Katharina Blum durfte
    sich im Badezimmer in Gegenwart der weiblichen Beamtin Pletzer anziehen.
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    Doch durfte die Badezimmertür nicht ganz geschlossen werden, – sie wurde von
    zwei bewaffneten Beamten schärfstens bewacht. Es wurde Katharina gestattet,
    ihre Handtasche mitzunehmen, und da ihre Verhaftung nicht ausgeschlossen
    werden konnte, durfte sie Nachtzeug, einen Toilettenbeutel, Lektüre mitnehmen.
    Ihre Bibliothek bestand aus vier Liebesromanen, drei Kriminalromanen sowie
    aus einer Napoleonbiographie und einer Biographie der Königin Christina von
    Schweden. Sämtliche Bücher stammten aus einem Buchklub. Da sie dauernd
    fragte: »Aber wieso, wieso denn, was habe ich denn verbrochen«, wurde ihr
    schließlich von der Kriminalbeamtin Pletzer in höflicher Form mitgeteilt, daß
    Ludwig Götten ein lange gesuchter Bandit sei, des Bankraubes fast überführt und
    des Mordes und anderer Verbrechen verdächtig.
    14.
    Als Katharina Blum endlich gegen . Uhr aus ihrer Wohnung fort und zur
    Vernehmung geführt wurde, verzichtete man letzten Endes doch darauf, ihr
    Handschellen anzulegen. Beizmenne neigte zwar dazu, auf Handschellen zu
    bestehen, ließ sich aber nach einem kurzen Dialog zwischen der Beamtin Pletzer
    und seinem Assistenten Moeding herbei, darauf zu verzichten. Da wegen der an
    diesem Tag beginnenden Weiberfastnacht zahlreiche Hausbewohner nicht zur
    Arbeit gegangen und noch nicht zu den alljährlich fälligen saturnalienartigen
    Umzügen, Festen etc. aufgebrochen waren, standen etwa drei Dutzend Bewohner
    des zehnstöckigen Appartementhauses in Mänteln, Morgenröcken und
    Bademänteln im Foyer, und der Pressefotograf Schönner stand wenige Schritte
    vor dem Aufzug, als Katharina Blum, zwischen Beizmenne und Moeding, von
    bewaffneten Polizeibeamten flankiert, den Aufzug verließ. Sie wurde von vorne,
    von hinten, von der Seite mehrmals fotografiert, zuletzt, da sie in ihrer Scham
    und Verwirrung mehrmals ihr
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