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Die Vagabundin

Die Vagabundin

Titel: Die Vagabundin
Autoren: Astrid Fritz
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genau zum richtigen Zeitpunkt zur Stelle gewesen, als ein Eselskarren einen Schragentisch umriss und der Gemüseberg auf das schmutzige Pflaster polterte. Zumindest für die nächsten Tage war ihr Vorratsregal nun gut bestückt. Außerdem freute sie sich auf den Sonntag, wo sie Josefina wiedersehen würde, die jede zweite Woche nach dem Kirchgang ein paar Stunden freihatte.
    Nachdem der Stiefvater zu seinem Rundgang durch die Wirtsstuben aufgebrochen war, brachte Eva Stube und Küche in Ordnung. Danach löschte sie die Lampe und legte sich zu Niklas auf ihr Strohlager.
    «Du hattest recht wie immer», hörte sie ihn flüstern. «Das mit dem Markt, mein ich. Schad drum, dass wir nicht noch mehr mitnehmen konnten.»
    Sie knuffte ihn in die Seite. «Du musst schneller rennen lernen. Beinah hätt uns der alte Bauer erwischt. Und jetzt gute Nacht, Igelchen.»
    Mitten in der Nacht erwachte sie schlaftrunken vom Knarren der Holzstiege. Von unten drang das schwache Licht der Lampe herauf. Da schob sich plötzlich das Gesicht ihres Stiefvaters über sie, das schüttere Grauhaar lag verschwitzt über der Stirn. Der Schreck fuhr ihr in alle Glieder: War er gekommen, um sie zu wecken und seine Wut an ihnen auszulassen, weil er wieder den ganzen Abend beim Glücksspiel verloren hatte? Das wäre nicht das erste Mal. Jetzt aber lag kein Zorn in seinem Blick, sondern er starrte sie nur mit aufgerissenen, glänzenden Augen an.
    Rasch zog sie sich die Decke über den Kopf, drehte sich zur Seite und gab vor, zu schlafen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Was tat er hier, so stumm, mit keuchendem Atem? Endlich hörte sie ihn die Stiege wieder hinuntertrampeln, ein Stuhl polterte zur Seite, ein Fluchen – dann wurde es ruhig im Haus.
    Am nächsten Morgen weckte Eva ihn erst, als das Essen bereitstand. Sofort erkannte sie, dass ihm vom Saufen mal wieder der Schädel brummte. Sie gab Niklas, der gierig auf den Topf mit Getreidemus starrte, einen Tritt gegen das Bein – als Zeichen dafür, den Vater ja nicht zu reizen.
    Übellaunig stieß Gallus Barbierer seinen Löffel in den graubraunen Brei.
    «Pfui Teufel! Das schmeckt ja wie Pferdescheiße!»
    «Ich find, es schmeckt wie immer», sagte Niklas, der folgsam gewartet hatte, bis sein Vater den ersten Bissen genommen hatte.
    «Hab ich dich gefragt? Und überhaupt, wie gschissen du ausschaust! Wie ein damisches Kleinkind, mit deinem geschorenen Schädel. Mein Sohn soll aussehen wie ein richtiger Junge!»
    Augenblicklich brach Niklas in Tränen aus.
    «Mein Gott, jetzt flennt der Bettseicher auch noch wie ein Kleinkind. Womit hab ich das verdient?»
    «Er kann doch nichts dafür», beschwichtigte Eva, «dass er schon wieder Läuse hatte.»
    «Dann halt du den Haushalt sauberer!» Gallus Barbierers Gesicht lief veilchenfarben an.
    «Aber   …»
    Ihr Stiefvater schnellte von der Bank, holte aus und versetzte ihr eine deftige Maulschelle.
    «Widersprich mir nicht! Was hab ich da nur für Bälger großgezogen! Aber das Lotterleben hat jetzt ein End.» Seine Miene entspannte sich ein wenig. «Eva, leg den Löffel weg und hörmir zu. Und wenn du mich unterbrichst, pfeif ich dir gleich noch eine.»
    Er räusperte sich. «Hab gestern Abend einen Weber kennengelernt, aus der Lederergasse, dem ist eine seiner Spinnerinnen verreckt. Hab dich hoch gelobt, wie geschickt du bist. Mach mir also keine Schande.»
    «Dann – ist das schon ausgemacht?»
    «Nächste Woche bringt er das Spinnrad her und den ersten Packen mit Wollewickeln. Seh ich recht?», brüllte er plötzlich los. «Was ziehst du für ein Gesicht? Soll ich dich lieber ins Waschhaus stecken, den Dreck andrer Leute schrubben?»
    Instinktiv hielt Eva sich schützend den Arm vor, doch dieses Mal blieb ihr Stiefvater ruhig sitzen.
    «Du bist alt genug, um zu arbeiten. Und damit mein ich nicht das Rumgehaspel für die alte Vettel von Hoblerin. Bis aufs Kochen wird Niklas die Haushaltung übernehmen.»
    Eva starrte mit trotziger Miene auf den rußgeschwärzten Herd an der Wand gegenüber. Ihr graute es bei dem Gedanken, den ganzen Tag in diesem Loch zu verbringen, mit tagaus, tagein der gleichen Arbeit. Und das vielleicht auf Jahre.
    «Hast mich also verstanden?»
    «Ja.»
    «Das heißt: Ja, Vater!»
    «Ja, Vater!»
    «Gut.» Er erhob sich ächzend und trat neben sie. Fast sanft wurde sein Blick mit einem Mal, während sein knotiger Zeigefinger über ihre Wangen strich, dann den Hals entlang.
    «Du wirst sehen, auch für deine Zukunft springt was
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