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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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Ködermann war unterwegs und wollte mit seinen Haken zum Anbeißen reizen. Genau genommen sind es gar keine Fischhaken. In den Tauen befinden sich kleine hohle Rohre, und diese Rohre übertragen Stoff, ausreichend für eine ganze Armee von Fixern; Ikky nimmt den Köder auf, der ihm per Fernsteuerung vorgegaukelt wird, und dann jagt ihm der Fischer die Widerhaken hinein.
    Meine Hände glitten über das Schaltpult, nahmen die notwendigen Schaltungen vor. Ich überprüfte die Anzeige für den Anästhesietank. Leer. Gut, man hatte die Tanks noch nicht gefüllt. Ich drückte den Injektor-Knopf.
    „Mitten in die Gurgel“, murmelte Mike.
    Ich ließ die Taue los. Ich spielte das Tier, das ich mir nur vorstellte. Ich ließ es rennen, schwang die Winde, um seine Bewegungen zu simulieren.
    Ich hatte die Klimaanlage eingeschaltet und das Hemd ausgezogen. Trotzdem war es unangenehm heiß. Daher wußte ich, daß der Morgen in den Mittag übergegangen war. Die Ankunft und der Abflug der Lufttaxis wurde mir nur undeutlich bewußt. Einige Mannschaftsmitglieder saßen im Schatten der Tür, die ich offengelassen hatte, und sahen mir zu. Ich sah Jean nicht ankommen, sonst hätte ich Schluß gemacht und wäre unter Deck gegangen.
    Sie riß mich erst aus meiner Konzentration, als sie die Tür so zuknallte, daß man befürchten mußte, die Magneten könnten sich lösen.
    „Würdest du mir freundlicherweise sagen, wer dir gestattet hat, den Gleiter hochzufahren?“ fragte sie scharf.
    „Niemand“, antwortete ich. „Ich fahre ihn jetzt hinunter.“
    „Geh zur Seite.“
    Ich gehorchte, und sie nahm meinen Sitz ein. Sie trug braune Hosen, ein weites Hemd und hatte ihr Haar hinten zusammengebunden. Ihre Wangen waren gerötet, aber nicht unbedingt von der Hitze. Dann bearbeitete sie das Schaltbrett mit einer Intensität, die mich beunruhigte.
    „Status Blau“, stieß sie hervor und brach sich am Schalter einen violett lackierten Fingernagel ab.
    Ich zwang mich zu einem Gähnen und knöpfte langsam mein Hemd zu. Sie warf mir von der Seite einen Blick zu, sah dann wieder auf ihre Kontrollskalen und warf die Leine.
    Ich sah auf dem Monitorschirm zu. Für den Bruchteil einer Sekunde wandte sie sich zu mir.
    „Status Rot“, sagte sie mit gleichmäßiger Stimme.
    Ich nickte zustimmend.
    Dann drehte sie die Winde zur Seite, um zu zeigen, daß sie damit umgehen konnte. Ich hatte keine Zweifel daran, und sie hatte keine Zweifel daran, daß ich es wußte, aber –
    „Falls du es nicht wissen solltest“, sagte sie, „du wirst diesem Ding hier nicht noch einmal nahekommen. Man hat dich als Ködermann eingestellt, nicht für die Bedienung des Gleiters! Erinnerst du dich? Als Ködermann! Deine Aufgabe besteht darin, hinauszuschwimmen und unserem Freund, dem Monster, die Tafel zu bereiten. Das ist gefährlich, aber man bezahlt dich gut dafür. Irgendwelche Fragen?“
    Sie drückte den Injektorknopf, und ich rieb mir den Hals.
    „Nein“, sagte ich grinsend, „aber ich kann mit diesem Dingsbums da ausgezeichnet umgehen – und wenn du mich brauchst, stehe ich dir zur Verfügung, zum üblichen Tarif.“
    „Mister Davits“, sagte sie, „ich will keinen an diesem Kontrollpult, der kein Glück hat.“
    „Miß Luharich, dieses Spiel hat noch keiner gewonnen.“
    Sie fing an, das Kabel einzurollen, und löste gleichzeitig die Magnete, so daß der ganze Gleiter dröhnte, als das große Jo-Jo zurückkam. Wir wurden ein, zwei Meter zurückgeschleudert. Sie löste die Seitenkufen, und wir schossen über die Gleise. Dann verlangsamte sie unsere Fahrt und schaltete die Weichen so, daß wir ruckartig zum Stehen kamen. Im nächsten Augenblick schossen wir im rechten Winkel davon. Die Mannschaft rannte von der Luke weg, als wir auf die Liftplattform donnerten.
    „In Zukunft, Mister Davits, betreten Sie den Gleiter nicht mehr ohne ausdrücklichen Befehl“, erklärte sie mir.
    „Keine Sorge. Ich werde ihn nicht einmal betreten, wenn man es mir befiehlt“, antwortete ich. „Ich habe mich als Ködermann verpflichtet. Erinnern Sie sich? Wenn Sie mich hierhaben wollen, werden Sie mich schon bitten müssen, meine Dame!“
    „Soweit kommt’s noch“, lächelte sie.
    Ich nickte nur, während sich die Türen über uns schlossen. Wir ließen das Thema fallen und gingen jeder unserer Wege, nachdem der Gleiter seinen Ruheplatz erreicht hatte. Sie sagte allerdings „Guten Tag“, und ich fand, daß Sie damit ein hohes Maß an Erziehung und Kultur ihrerseits
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