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Die Tuer im Schott

Die Tuer im Schott

Titel: Die Tuer im Schott
Autoren: John Dickson Carr
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Beschäftigung für einen Gentleman, doch Sir Dudley mochte Murray und erhob keine Einwände.
    Nun ergab es sich, daß Murray gerade zu dieser Zeit einen guten Posten als stellvertretender Leiter einer Schule in Hamilton auf Bermuda angeboten bekam – wenn er denn bereit war, sein Glück so weit fernab der Heimat zu machen. Murray nahm an; im Herrenhaus wurden seine Dienste ja nicht mehr gebraucht. Man kam überein, daß Murray und der Junge die Überfahrt nach New York gemeinsam unternehmen sollten, damit der Lehrer bis dahin noch ein Auge auf ihn halten konnte. Er sollte den Jungen Lady Farnleighs Vetter übergeben und dann von dort den Dampfer nach Bermuda nehmen.«
    Nathaniel Burrows hielt inne und dachte über diese längst vergangenen Zeiten nach.
    »Ich persönlich kann mich an diese Zeit kaum noch erinnern«, fügte er hinzu. »Wir jüngeren Kinder wurden von dem verdorbenen John ferngehalten. Aber die kleine Molly Sutton, die damals erst sechs oder sieben war, war ganz vernarrt in ihn. Sie ließ es nicht zu, daß auch nur ein schlechtes Wort über ihn gesprochen wurde, und daß sie ihn jetzt geheiratet hat, wird vielleicht noch wichtig. Ich habe noch eine vage Erinnerung an den Tag, an dem John zum Bahnhof gebracht wurde, in einer offenen Kutsche, einen flachen Strohhut auf dem Kopf, und Kennet Murray saß neben ihm. Sie sollten am nächsten Tag ablegen, der aus mehr als nur einem Grunde ein Festtag war. Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß das Schiff, auf dem sie fuhren, die  Titanic  war.«
    Nun waren Burrows und Page beide in ihren Gedanken bei der Vergangenheit. Letzterer erinnerte sich daran als eine Zeit der Verwirrung, der Propaganda, der Anschlagzettel an den Straßenecken, der Gerüchte, denen jede Grundlage fehlte.
    »Die unsinkbare  Titanic  rammte einen Eisberg und sank in der Nacht zum 15.   April 1912«, fuhr Burrows fort. »In dem Durcheinander wurden Murray und der Junge getrennt. Murray trieb achtzehn Stunden lang im eiskalten Wasser, klammerte sich mit zwei oder drei anderen an ein hölzernes Geländer. Sie wurden von einem Frachter aufgefischt, der  Colophon  – unterwegs nach Bermuda. Murray kam dahin, wohin er eigentlich gewollt hatte. Und als er per Funkspruch erfuhr, daß John Farnleigh in Sicherheit war, und ein Brief es ihm später noch bestätigte, machte er sich keine weiteren Gedanken mehr.
    John Farnleigh – oder ein Junge, der sich für John ausgab – wurde von der  Etrusca  gerettet, auf dem Weg nach New York. Dort wartete Lady Farnleighs Vetter, ein Mann aus dem Westen, schon auf ihn. An den Verhältnissen hatte sich nichts geändert. Nach wie vor wollte Sir Dudley, nachdem er sich vergewissert hatte, daß der Junge noch am Leben war, nichts weiter mit ihm zu tun haben. Die Sache war dem alten Sir Dudley genauso recht wie dem Jungen selbst.
    Er wuchs in Amerika auf und blieb dort fast fünfundzwanzig Jahre lang. Er schrieb seiner Familie keine Zeile; selbst wenn sie darum gefleht hätten, hätte er ihnen kein Foto geschickt und keinen Geburtstagsgruß. Zum Glück faßte er eine spontane Zuneigung zu dem amerikanischen Vetter, einem Mann namens Renwick, und das war alles, was er an Eltern brauchte. Er – nun – änderte sich anscheinend. Er lebte dort in aller Stille als Farmer, genau wie er hier als Gutsbesitzer gelebt hätte. In den letzten Kriegsjahren diente er in der amerikanischen Armee, aber er setzte keinen Fuß auf englischen Boden und traf sich mit niemandem, den er gekannt hatte. Selbst Murray sah er nie wieder. Murray lebte auf Bermuda, aber zu Wohlstand kam er nicht. Keiner von beiden konnte sich eine Reise zu dem anderen leisten, zumal John Farnleigh in Colorado wohnte.
    Hier zu Hause ging alles seinen Gang. Der Junge war so gut wie vergessen, und nach dem Tod seiner Mutter im Jahre 1926 kümmerte sich niemand mehr um ihn. Der Vater folgte ihr vier Jahre später nach. Der junge Dudley – der so jung ja inzwischen auch nicht mehr war – erbte den Titel und den gesamten Besitz. Er hatte nicht geheiratet; dazu sei noch Zeit genug, sagte er. Aber da täuschte er sich. Der neue Sir Dudley starb im August 1935 an einer Salmonellenvergiftung.«
    Brian Page dachte nach.
    »Das war, unmittelbar bevor ich hierherkam«, sagte er. »Aber hör mal! Hat denn Dudley nicht ein einziges Mal versucht, mit seinem Bruder Kontakt aufzunehmen?«
    »Doch. Die Briefe kamen ungeöffnet zurück. Dudley war – nun, seinerzeit ein ziemlicher Spießer gewesen.
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