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Die Tuer im Schott

Die Tuer im Schott

Titel: Die Tuer im Schott
Autoren: John Dickson Carr
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tatsächlich auch vollzogen wurde. Jedenfalls ist der John Farleigh, der unter diesem Namen fast fünfundzwanzig Jahre in den USA gelebt hat, nach dem Tode seines älteren Bruders seit gut einem Jahr Sir John, als ein Prätendent auftaucht, der seinerseits Sir John Farleigh sein will und der den gegenwärtigen Inhaber des Titels schlicht als den wahren Patrick Gore bezeichnet. Da der falsche Erbe seinerzeit auf der »Titanic« tagelang vom echten gebrieft wurde und sogar dessen Tagebuch erhalten haben soll, führen die beliebten Fragetests nach intimen Details aus der Kindheit in diesem Fall nicht weiter. Aber das brauchen sie auch nicht, hat der damalige Hauslehrer Kennet Murray als begeisterter Hobby-Detektiv doch seinerzeit von jedem, der sich nicht wehrte, die soeben modern gewordenen Fingerabdrücke genommen, darunter auch vom echten kleinen John.
    Doch bevor dieser unwiderlegbare Test überhaupt ausgewertet werden kann, stirbt der amtierende Sir John unter reichlich mysteriösen Umständen. Im Garten von Farnleigh Close befindet sich ein Heckenlabyrinth, das im Gegensatz zu seinem Vorbild in Hampton Court jedoch nur hüfthoch ist – wer sich in ihm verlaufen oder verbergen wollte, müßte kriechen. In dessen Mitte liegt ein großes Rondell mit einem kleinen Teich, den ein mindestens anderthalb Meter breiter Sandstreifen umgibt. Verschiedene Zeugen sehen, wie ›Sir John‹ sich an den Hals zu greifen scheint und unter wilden Bewegungen ins Wasser stürzt. Niemand wurde in seiner Nähe gesehen, und der Sand weist auch keine fremden Spuren auf. Hat ›Sir John‹ sich selbst mit einem schartigen Taschenmesser, das die Polizei in den Hecken findet, dreimal die Kehle durchschnitten? Wenn nicht, läge ein ›unmöglicher Mord‹ vor, wie Carr ihn liebt, da das offene, von vielen Zeugen eingesehene Rondell mit dem unberührten Sandboden eine Variante des verschlossenen Raumes darstellt (siehe dazu John Dickson Carr, »Der verschlossene Raum«).
    Natürlich ist dies ein Fall für Dr.   Fell, der jetzt hinzugezogen wird. Da er sich in »Der verschlossene Raum« fröhlich zu seiner eigenen Fiktionalität bekannt hat – schließlich seien ja alle Figuren in einem Detektivroman Figuren in einem Detektivroman, und der Leser wisse das – kann er sich jetzt beschweren, daß für einen Detektivroman der Falsche ermordet wurde: Eigentlich hätte der Hauslehrer mit der Fingerabdruckfibel das Opfer sein müssen, vielleicht noch der Prätendent – der aktuelle Inhaber der Baronie ergebe schlicht keinen Sinn.
    Das ist nicht das letzte Paradox, das Dr.   Fell getreu seinem Urbild Gilbert Keith Chesterton äußern wird: Auf dem Speicher des Herrenhauses gibt es nämlich eine stets verschlossene Kammer, eine Art begehbaren Bücherschranks. In ihr, in der Dienstboten und Nachbarn oft nachts Licht brennen sehen, befindet sich nicht nur eine erlesene Fachbibliothek zum Hexen- und Satanskult, sondern auch einer der legendären menschenähnlichen Automaten, den ein von jeder Form des Mirakulösen und Abseitigen faszinierter Ahn einst gekauft hat. Im heutigen Zustand mit vermodertem Kleid und halbzerstörtem, rissigem Wachsgesicht, aus dem nur noch ein Auge starrt, löst er noch Grauen aus, auch wenn angeblich das Geheimnis seiner Mechanik nie entschlüsselt wurde. Aber gerade in ihr soll das Geheimnis auch des aktuellen Mordes liegen, wie der – wie gesagt – Paradoxen zugetane Dr.   Fell verkündet. Jedenfalls wird ein Dienstmädchen, das sich in den Raum mit Hexenbüchern und Puppe einschleicht, vor Schreck ohnmächtig.
    John Dickson Carr hat in einem Essay das Schreiben von Detektivromanen als »Das großartigste Spiel in der Welt« bezeichnet, und der vorliegende Roman ist ein herausragendes Beispiel für das, was Carr »das fast geniale Raffinement« genannt hat, »das Legen der Fallen und der Falle hinter der Falle, mit der ein Autor Kapitel für Kapitel gegen einen scharfsinnigen Leser spielt«.
    Die »Falle hinter der Falle« liegt bei »Die Tür im Schott« in der doppelten Lösung, die Dr.   Fell präsentiert. Während er in der für den Detektivroman fast typischen Schlußbesprechung aller Beteiligten einen perfekten Fall gegen ›X‹ konstruiert, gibt er gleichzeitig dem wahren Täter ›Y‹ Signale, die nur dieser versteht und denen er entnehmen muß, daß der scheinbar unfehlbare Plan eines Superhirns von einem ihm überlegenen Geist entschlüsselt worden ist. Diese zweite Falle hinter der ersten ist zugleich ein
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