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Die Trinity Verschwörung

Die Trinity Verschwörung

Titel: Die Trinity Verschwörung
Autoren: Charles Cumming
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ist heute Chef des MI 6.«

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    Es war ein langer Weg von Daunt Books in der Holland Park Avenue bis zu der Vorstadtkneipe in West Hyde.
    Einen Monat zuvor, im August, hatte Gaddis in einem Buchladen in der Londoner City sein neuestes Buch vorgestellt – Zaren, eine vergleichende Studie über Peter den Großen und den derzeitigen russischen Präsidenten Sergej Platow. Sein Verleger, Mitinhaber eines kleinen Verlagshauses, das ihm die fürstliche Honorarsumme von 4750 Pfund für das Buch gezahlt hatte, war nicht zu der Veranstaltung erschienen. Eine Lokalreporterin, die als Praktikantin für den Evening Standard arbeitete, hatte um fünf vor halb sieben den Kopf zur Tür des Buchladens hereingesteckt, ein lauwarmes Glas Sauvignon Blanc vom Tablett genommen und war nach zehn Minuten wieder gegangen. Offensichtlich war sie zu der Überzeugung gekommen, dass sich auf dem Oberdeck der Buslinie 16 leichter eine Story finden ließ. Kein prominenter Historiker, kein Feuilletonredakteur, auch kein Vertreter der BBC war der Einladung gefolgt, die nach Aussage der PR -Frau in der zweiten Juliwoche – » in erstklassiger Aufmachung« – herausgegangen waren. Eine kreidebleiche ältere Frau, die » den langen Weg von Hampstead nicht gescheut« hatte, weil sie » so begeistert von seinem Bulgakow-Buch« gewesen war, und einer von Sams ehemaligen Studenten mit Namen Colin, der das vergangene Jahr damit verbracht hatte, » Hermann Hesse lesend durch Kasachstan zu wandern«, waren von einem entlegenen Hinweis im Independent angelockt worden. Alle anderen gehörten zur Crew: der Geschäftsführer des Ladens, eine Bedienung für die Ladenkasse, etwa ein gutes Dutzend Kollegen und Studenten aus dem UCL , Sams hoch-sexualisierte Wohnungsnachbarin Kath, der gerne mal der Morgenmantel aufklappte, und seine beste Freundin Charlotte Berg.
    Machte es Gaddis Kummer, dass sein neuestes Buch offenbar ohne deutliche Spuren zu hinterlassen wieder verschwinden würde? Ja und nein. Ein Buch für sich allein, das wusste er, würde nichts an der Einstellung gegenüber Sergej Platow ändern. Zaren würde von der Londoner Tagespresse höflich rezensiert und von Moskau als westliche Propaganda abgetan werden. Er hatte drei Jahre daran geschrieben und würde im Hardcover vielleicht tausend Exemplare verkaufen. Schon vor langer Zeit hatte Gaddis beschlossen, nur aus Spaß am Schreiben Bücher zu veröffentlichen: darüber hinausgehende Erwartungen leisteten der Enttäuschung Vorschub. Wenn die Öffentlichkeit Freude an seinen Büchern hatte, war er zufrieden, wenn nicht, war es auch gut. Die Leute wussten Besseres mit ihrem hart verdienten Geld anzufangen. Weder das Verlangen nach Ruhm noch ein angeborenes Interesse am Geldverdienen trieben ihn an – zuallererst ging es ihm um die Qualität seiner Arbeit. Er war stolz auf ein Buch wie Zaren. Er führte darin einen groß angelegten Angriff gegen das Platow-Regime, einen Angriff, den er in einem 750-Worte-Artikel, der vor drei Tagen im Guardian erschienen war, zu verdichten versucht hatte.
    Mehr war an Werbung für dieses Buch nicht veranstaltet worden. Gaddis hatte kein großes Interesse daran, sich ein öffentliches Image aufzubauen. Vier Jahre davor war von ihm eine Trotzki-Biographie erschienen und auf Radio 4 begeistert besprochen worden. Ein findiger junger Fernsehproduzent hatte ihn daraufhin zu Probeaufnahmen für eine Reihe von Sendungen über » Große revolutionäre Persönlichkeiten« eingeladen. Gaddis hatte abgelehnt. Und warum? Zu der Zeit hatte er das Gefühl gehabt, ein solches Engagement würde ihn zu lange von seiner kleinen Tochter Min trennen und ihm zu wenig Zeit für seine Studenten am UCL lassen. Seine Freunde und Kollegen hatten ihm vorgeworfen, eine Riesenchance zu verspielen. Was nützte es im Großbritannien des einundzwanzigsten Jahrhunderts, ein erfolgreicher Akademiker zu sein, wenn man nicht in BBC 4 auftreten wollte? Du musst an die Connections denken, hatten sie gesagt. An das Geld. Mit seiner etwas verbeulten Attraktivität sei Gaddis wie geschaffen für das Fernsehen, aber er liebte seine Ruhe und seine Arbeit und wollte nichts von beidem, wie er es ausdrückte, » für das zweifelhafte Vergnügen aufs Spiel setzen, mein Antlitz in der Glotze betrachten zu dürfen«. Sicherlich steckte ein gewisses Maß an Sturheit hinter dieser Entscheidung, aber Dr. Sam Gaddis sah sich zuallererst als Lehrer. Er hing der romantischen Vorstellung an, dass es das Leben eines Menschen
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