Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Die Tränen der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Jocelyne Godard
Vom Netzwerk:
wiederaufgebaut hatte.
    Während Mathias Verantwortung übernahm, würde Arnold immer jemand bleiben, der nur gut Anweisungen ausführen konnte.
Alix konnte sich wirklich voll und ganz auf ihren Freund Mathias verlassen und in Gedanken ihre Reisen nach Brügge und Florenz planen, wo sie Aufträge beschaffen wollte.
    Sie ahnte nicht, dass dem Weber an diesem Abend das Herz blutete, als die Bertille gerade ein köstlich nach Topinambur und geräuchertem Speck duftendes Linsengericht auftrug und Alix an Mathias gewandt sagte: »Ich muss euch eine Weile verlassen.«
    »Aber du bist doch gerade erst wieder nach Hause gekommen!«, wunderte der sich und sah sie erstaunt an. »Wo willst du denn hin?«
    »Ach, nicht weit weg«, antwortete Alix verlegen. »Zuerst will ich nach Amboise, dann vielleicht nach Blois und nach Orléans, außerdem muss ich noch nach …«
    »Oh!«, unterbrach sie Angela fröhlich, »könnte es sein, dass sich Sire Van de Veere zufällig in der Gegend aufhält?«
    Beinahe hätte es Mathias die Sprache verschlagen.
    »Wer ist dieser Sire Van de Veere?«
    »Das ist der Bankier«, gab Alix zur Antwort, der diese Frage etwas peinlich war.
    »Aber was will er hier in Tours?«
    »Geschäfte machen, Kontakte knüpfen, neue Kunden gewinnen. Er ist sehr beschäftigt.«
    »Hier in der Gegend?«
    »Ja, wie es aussieht!«
    Mathias spürte, dass Alix auf seine Fragen leicht gereizt reagierte, und bohrte nicht länger nach. Nach dem Abendessen und den üblichen Umarmungen ging jeder auf sein Zimmer, um am nächsten Morgen in aller Frühe frisch und munter zu sein.
    Mathias hatte seine Wohnung gleich neben dem großen Haus, in dem Alix mit der Bertille und dem kleinen Nicolas lebte. Nachdem er wortlos vom Tisch aufgestanden war, passte er Angela ab,
die auf dem Weg zu ihrem Zimmer an seinem vorbeimusste, packte sie und fragte mit heiserer Stimme:
    »Wer ist dieser Van de Veere?«
    »Aber das hat Euch Alix doch gesagt – er ist der Bankier aus Brügge.«
    »Warum kommt er jetzt ins Val de Loire?«
    »Weil … Ich glaube, weil ihn Alix eingeladen hat.«
    Mathias wurde ganz bleich.
    »Wie denn eingeladen … Wohin denn?«
    »Das weiß ich leider nicht. Wahrscheinlich will sie sich für seinen Gefallen revanchieren.«
    »Sich für seinen Gefallen revanchieren!«, wiederholte Mathias aufgebracht, ohne irgendetwas zu verstehen. »Welchen Gefallen meinst du?«
    Sein Gesicht wurde immer bleicher, und seine blauen Augen funkelten schwarz vor Zorn.
    »Sie ist zu ihm gegangen.«
    »Was soll das heißen? Zu ihm?«
    »In sein Haus in Brügge.«
    »Wie lange war sie dort?«
    »Ich weiß es nicht, doch wahrscheinlich lange. Wir sind dann gleich abgereist. Mehr kann ich Euch wirklich nicht sagen.«
    Mathias war mittlerweile leichenblass, und seine Kiefer mahlten furchterregend. Mit zitternden Fingern fuhr er sich durch sein rotes Haar, ehe er mit erstickter Stimme eine Verwünschung ausstieß.
    »Macht ihr dieser Van de Veere den Hof?«
    Angela merkte erschrocken, dass sie zu viel ausgeplaudert hatte. Sie wollte Alix keinen Kummer bereiten, aber jetzt war es wohl bereits geschehen. Mathias ließ ihren Arm los und stieß erneut einen Fluch aus.
    »Ich bitte Euch, Mathias«, sagte Angela ängstlich, »das müsst Ihr wirklich mit ihr besprechen, nicht mit mir.«
    Natürlich begriff er, dass Alix diesem Mann gehört hatte. Natürlich war er verzweifelt, weil er doch so sehr auf eine zärtliche Verbindung zwischen ihnen gehofft hatte, besonders weil doch der kleine Nicolas ihre gegenseitige Zuneigung verlangte.
    Auf einmal war alles klar. Alix hatte einen Geliebten. Daher dieses strahlende Leuchten in ihren Augen, dieser Glanz, der nicht ihm galt, das Flimmern ihrer Pupille, das diesem Bankier vorbehalten war, den Mathias verabscheute, ehe er ihn überhaupt zu Gesicht bekommen hatte.
    Nach dieser schrecklichen Enttäuschung war Mathias am nächsten Morgen nicht in der Werkstatt erschienen. Als Angela von ihrem kurzen Gespräch berichtete, bekam es Alix mit der Angst. Wohin konnte er gegangen sein?
    Als Mathias nach zwei Tagen noch immer nicht zurückgekommen war, machte sie sich auf die Suche nach ihm. Aber wie sollte sie ihn finden? Schließlich konnte sie nicht in ganz Tours nach ihm suchen. Das war unmöglich, so viel Zeit blieb ihr auch gar nicht. Alessandro konnte jeden Moment in der Stadt auftauchen. Wie würde er darauf reagieren? Nein, es gab keinen Ausweg! Sie musste Mathias unbedingt finden, ehe der Bankier aus Florenz in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher