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Die Totenfalle

Die Totenfalle

Titel: Die Totenfalle
Autoren: Jason Dark
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unter Bodendeckern verschwunden. Die Grabsteine sahen hier aus wie graue Wächter, die zum Schweigen verurteilt waren. Hätten sie gekonnt, so hätten sie lange Geschichten erzählen können über Tote und Besucher. Die einsame Frau hatte die Hände in den Manteltaschen vergraben. Sie ging sehr langsam. Manchmal blieb sie stehen und schaute sich um. Gespenstisch kamen ihr die kahlen Bäume vor. Sie wirkten wie erstarrte Riesen in einer fremden Umgebung.
    Es war kein anderer Mensch zu sehen, nur Tabitha Leroi schritt als einsame Gestalt dahin. Sie hatte sich tatsächlich einen günstigen Ort ausgesucht, um zu sterben.
    Sie wußte auch schon wo.
    Es war ein Platz, der etwas versteckt lag. Noch kein Grab, aber es würde eines werden, denn sie hatte dieses kleine Grundstück gekauft. Ein Anwalt wußte Bescheid, bei ihm lagen die entsprechenden Unterlagen, und er würde auch dafür sorgen, daß sie genau an dieser Stelle bestattet wurde.
    Sie lächelte, als sie daran dachte. Es war für sie ein wunderschöner Ort, denn das Grab lag etwas erhöht. Normalerweise wäre es Unsinn gewesen, an so etwas überhaupt zu denken, aber Tabitha dachte eben anders. Bei ihr würden die Dinge nicht so ablaufen wie bei anderen Menschen, sie war eben etwas Besonderes. Das hatte sie im Leben bewiesen, und im Tod würde sie es beibehalten.
    Niemand störte sie.
    Die Frau war völlig allein, als sie sich in den schmalen Pfad hineinwand, der dort endete, wo sie sich ihre letzte Ruhestätte ausgesucht hatte, die ebenfalls unter einer Dunsthaube lag. Ein kleiner Hügel bildete die Grabstätte, er war mit Gras und Unkraut bewachsen. Der Wind hatte Zweige und Blätter dorthin getrieben, und sie bildeten so etwas wie eine Matte.
    Tabitha blieb dort stehen, wo sehr bald das Grab geschaufelt werden würde. Sie selbst hatte den kantigen Stein an diese Stelle geschafft und sich somit einen Sitzplatz geschaffen.
    Mit einer langsamen Bewegung ließ sie sich darauf nieder. Sie blieb hocken, schaute auf ihre Schuhe und dachte daran, daß sie sich jetzt konzentrieren mußte. Sie war als Geistheilerin bekannt. Bisher hatte sie die Geister gebraucht, um andere zu heilen, nun mußten dieser Geister einmal etwas für sie tun, und sie würden sie bestimmt nicht im Stich lassen.
    Eine ungewöhnliche Stille hüllte sie ein. Gleichzeitig spürte sie etwas von der Stimmung, die langsam auf sie zuwehte. Sie lauschte nach innen, sie konzentrierte sich auf sich selbst, um die Botschaften der anderen empfangen zu können.
    Sie waren hier, das wußte Tabitha, sie waren eigentlich überall, und sie würden sie bestimmt nicht im Stich lassen, wenn die Zeit reif zum Sterben war.
    Sie hatten ihr oft geholfen, und auch jetzt würden sie den Menschen nicht im Stich lassen. Es war alles vorbereitet, es gab überhaupt keinen Grund für sie, anders zu handeln.
    Der Dunst trieb heran. Es war nur mehr eine weiche, sanfte Flut, die Tabihta umhüllte wie ein Gespinst. Sie hatte noch immer das Kopftuch über ihre Haare gestreift, hockte zusammengesunken auf dem Stein und überließ sich selbst der Einsamkeit, der Natur und der in ihr wohnenden Kräfte.
    Geister gab es überall.
    Die ganze Welt war ein Konglomerat von Geistern und geheimnisvollen Wesen. Diese allerdings hielten sich nur in gewissen Zwischenstationen auf, damit sie für die normalen Menschen nicht sichtbar waren. Sie waren eingetaucht in Reiche, wo sie sich wohl fühlten und nur hin und wieder den Weg nach draußen fanden.
    Tabitha kriegte kalte Füße.
    Sie schauderte zusammen. Nicht wegen der Kälte, denn dieses Gefühl war für sie gleichzeitig eine Botschaft.
    Sie kamen…
    Eigentlich war sie enttäuscht, daß sie sich so lange Zeit gelassen hatten, nun aber war alles anders. Sie waren da, sie freuten sich, und Tabitha spürte, aber sah sie nicht.
    Die Lippen zeigten ein Lächeln, denn erste Stimmen hatten sie erreicht. Sie bewegten sich in ihrem Kopf, sie waren die Botschafter, die ihr klarmachten, daß das Ende ihres Weges dicht vor ihr lag. Tabitha hob den Kopf. Ihre Gesichtshaut war blaß geworden. Sie hielt die Augen weit geöffnet und schaute in den dünnen Dunst, der ebenfalls aussah, als hätte er sich aus zahlreichen Gestalten zusammengesetzt. Er blieb in ihrer Nähe nie ruhig, er tanzte, er rollte, er wehte, er schickte ihr Botschaften, und es formten sich in seinem Innern die ersten Gesichter. Unterschiedlichste Formen, mal in die Länge gezogen, dann wieder in die Breite gezerrt. Fratzen und blasse
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