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Die Toten von Bansin

Die Toten von Bansin

Titel: Die Toten von Bansin
Autoren: Elke Pupke
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enteignet, so wie die meisten Hotels und Pensionen auf Usedom. Bertas Großmutter, die alte Kapitänswitwe, überlebte die Aufregung nicht. Berta selbst blieb auch nach der Enteignung im Haus wohnen und pflegte hier ihre Mutter, die den neuen Staat hasste und eine verbitterte alte Frau wurde.
    Nach dem Tod der Mutter dachte Berta kaum noch daran, dass das Haus einmal ihrer Familie gehört hatte. Ihre Schwester war nach Berlin gezogen und hatte dort eine Familie gegründet. Sie selbst hatte keinen Nachwuchs und auch nie geheiratet. Mit ihrer Nichte jedoch verband sie von Anfang an ein inniges Verhältnis, schon als Kind betrachtete Sophie Bansin als ihr zweites Zuhause.
    Nach dem gründlichen Umbau des Kehr wieder im letzten Jahr ist fast das ganze Erdgeschoss ein großer, heller Raum. Nur die Küche ist noch abgeteilt. Wenn man von der Straße ins Haus tritt, befindet sich links der Empfangsbereich. Die hohe Rückwand verdeckt den runden Stammtisch und den Eingang zur Küche. Der Ausschank ist als kleine Bar im maritimen Stil gestaltet.
    Gegen 21 Uhr hat Sophie die Kellnerin nach Hause geschickt. »Ich habe bloß eine Reisegruppe im Haus«, erklärt sie ihren Gästen am Stammtisch, einem einheimischen Ehepaar. »Die fahren morgen ziemlich früh ab, deshalb sind sie schon alle schlafen gegangen. Außerdem ist da wohl kein Einziger dabei, der noch in der Lage wäre, auf einen Barhocker zu klettern.«
    Â»Das kannst du glauben«, bestätigt ihre Freundin Anne von einem solchen Hocker am Tresen. »Ich hab heute mit denen eine Inselrundfahrt gemacht. Die brauchten schon eine halbe Stunde, um aus dem Bus auszusteigen.«
    Die beiden Frauen kennen sich schon aus ihrer Kindheit. Schon damals war Anne äußerst lebhaft und ständig zu waghalsigen Aktionen aufgelegt, bei denen Sophie gern mitmachte. Noch heute, fast 40 Jahre später, erinnern die Freundinnen sich mit Schaudern daran, wie sie im Winter in der Ostsee eingebrochen waren. Die Eisschollen hatten einfach zu verlockend auf dem blauen Meer geschaukelt. Die Mädchen waren von einer zur anderen gesprungen, bis eine von ihnen ausrutschte und in das eiskalte Wasser fiel. Bei dem Versuch, sie wieder auf das Eis zu ziehen, glitt auch die andere hinein. Sie hatten großes Glück, dass Spaziergänger vom Strand aus das Geschehen beobachtet hatten und sie retteten, denn das Wasser war an der Stelle mindestens zwei Meter tief und allein wären sie wohl nicht wieder herausgekommen. Bis heute wissen weder Tante Berta noch Annes Eltern davon.
    Anne war schon mit zwölf Jahren so groß und so schwer wie Sophie heute. Seitdem ist sie noch einmal beträchtlich gewachsen und hat ihr Gewicht fast verdoppelt. Ständig kämpft sie mit ihrer Figur und mit den wirren Locken, deren Farbe, im Gegensatz zu Sophies Haaren, von Natur aus rot ist. Die kesse Stupsnase und die Gewohnheit, gern, viel und schnell zu reden, hat sie aus ihrer Kindheit bewahrt.
    Die Tür klappt und Sophie geht einen Schritt vom Stammtisch weg, um zum Eingang zu sehen. Ein attraktiver Mittvierziger bleibt neben dem Empfangstresen stehen und zwinkert ihr zu.
    Â»Gibt es hier noch ein Bier oder willst du schließen?«
    Sie zuckt mit den Schultern. »Komm schon rein, Frank.«
    Das Paar am Stammtisch ist erleichtert. Als einzige Gäste haben sich die beiden nicht wohl gefühlt, Anne zählt nicht, sie ist Sophies Freundin und gehört eigentlich zum Inventar im Kehr wieder .
    Der neue Gast stellt sich zu Anne an die Bar. Die blickt wissend von ihm zu ihrer Freundin, die den Mann auffallend wenig beachtet, ihm nur nebenbei ein Glas Bier hinstellt und sich wieder an den Stammtisch wendet.
    Â»Was war denn das für ein Unfall auf dem Bahnübergang bei Damerow?«, fragt sie das Paar. »Kanntet ihr den Mann?«
    Bevor jemand antworten kann, kommt noch jemand hereingestürmt. Es ist Inka Weber, die sich atemlos auf Anne stürzt. »Gut, dass du noch hier bist, ich muss dich doch etwas fragen. Kann ich morgen wieder mitkommen? Warum gehst du eigentlich nicht an dein Handy?«, sprudelt sie hervor, während sie auf einen Hocker klettert. Dann sieht sie sich etwas verlegen um. »Hallo übrigens«, sagt sie dann und nickt den anderen zu.
    Sophie grinst die zierliche junge Frau an. »Fall da bloß nicht runter.«
    Inka errötet ein wenig, was bei ihrer blassen Haut und den hellblonden Haaren besonders
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