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Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands

Titel: Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Autoren: Barbara Cleverly
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bemerkte er, dass die Tür von Zimmer vier einen Spalt offen stand und im Innern Licht brannte.
    Joe vermutete zuerst, dass der Wachmann zum Sicherheitspersonal des Hotels gehörte. Die große, schlanke Gestalt, der fesche, schwarze Mantel und die gestreiften Hosen standen im Widerspruch zu dem strengen Polizistengesicht. Joe sah ihn an, sah erneut hin, ließ seinen Kiefer ungläubig aufklappen, eine Ungläubigkeit, die sich rasch in glückliches Wiedererkennen wandelte. Es war ein Gesicht, das er zuletzt im Schlamm und Elend eines französischen Schlachtfeldes auf einer Trage gesehen hatte.
    »Moment mal«, sagte Joe, »ich kenne Sie doch, oder nicht?«
    »Ja, Sir, Detective Sergeant Armitage, Sir. Von der Metropolitan Police. Ich war Sergeant Armitage, C-Kompanie, als wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
    »Ganz genau! Cambrai, Bill?«
    »Ja, Cambrai, Sir. Und wenn ich das sagen darf, Sir, Sie sehen jetzt sehr viel besser aus als bei unserer letzten Begegnung«, fügte er hinzu, mit Blick auf Joes Smoking-Eleganz.
    »Das könnte ich auch sagen, Bill«, erwiderte Joe. »Damals haben wir beide nicht allzu gut ausgesehen. Ich bin wirklich froh, dass Sie es überstanden haben. Wir müssen uns einmal bei einem Bier unterhalten. Aber jetzt können Sie mir vielleicht sagen, was hier vorgefallen ist?«
    »Ein Mord, Sir, das ist hier vorgefallen.« »Vielleicht sollten wir uns die Leiche anschauen. Den Tatort begutachten.«
    Armitage führte Joe in einen kleinen Vorraum. Sie standen vor drei geschlossenen Türen. Joe öffnete die Tür zur Rechten und trat in ein opulentes Ritz-Schlafzimmer. Das Mobiliar spiegelte den Geschmack am Hofe von Ludwig dem Sechzehnten wider, wie ihn sich Waring & Gillow von der Tottenham Court Road vorstellten. Die Hauptlichtquelle bildete ein Kronleuchter. Die Nachttischlampen waren im Stil von Pompeji. Der Teppich war das Beste, was Wilton zu bieten hatte, und auf jedem der beiden Nachttische befanden sich eine Karaffe, eine Etagère mit Gebäck und ein Aschenbecher. An der Wand war eine Sprechanlage installiert. Etwas schien zu fehlen.
    »Ich sehe keine Leiche«, meinte Joe.
    »Die nächste Tür, Sir, die nächste Tür«, sagte Armitage. »Das ist die Marie-Antoinette-Suite, und sie hat einen eigenen Salon. Es ist die Tür zur Linken - zwischen den beiden liegt ein Badezimmer.«
    Er trat zurück, während Joe den Salon betrat.
    Der erste Eindruck, den Joe gewann, war der unverkennbar metallische Geruch von frisch vergossenem Blut. Ihm wurde klar, dass er vor Ekel unwillkürlich geschwankt haben musste, denn Armitage trat vor und legte einen Arm unter seinen Ellbogen. Er murmelte: »Langsam, Sir. Ich hätte Sie warnen sollen …«
    »Ist schon gut, Bill. Wir haben Schlimmeres gesehen.«
    Auf dem Schlachtfeld hatten sie das auch, aber dieses kleine Zimmer mit seinen pastellfarbenen Wänden, dem Gold, dem Brokat, schien für Joe wie in Entsetzen erstarrt und gleichzeitig widerzuhallen mit dem Echo der mörderischen Stille, die vor kurzem in seinem ruhigen Inneren explodiert war. Die Eleganz des achtzehnten Jahrhunderts stand in schockierendem Gegensatz zu der chaotischen Szene vor ihm. Die Wände waren über und über mit einer Tapisserie aus Blut besudelt, und in der Mitte dieser Spritzdekoration, direkt vor dem marmornen Kamin, lag die Leiche ausgebreitet, mit eingeschlagenem Schädel, in einem Teich aus koagulierendem Blut.
    »War schon tot, als ich hier eintraf, Sir. Als Erstes habe ich an ihrem Handgelenk nach dem Puls gesucht. Sie war definitiv tot. Aber noch nicht lange. Sonst habe ich natürlich nichts angefasst.«
    Joe stand auf der Schwelle und sah sich um, nahm alles in sich auf, notierte innerlich. Ein Louis-Seize-Sofa, der dazugehörige Stuhl umgefallen. Ein Arrangement aus weißen Lilien auf einem Tisch mit spindeldürren Beinen in der Ecke, unpassend aufrecht und intakt, mit surrealem Fleckenmuster. Das einzige Fenster des Raumes, zweiflügelig, war zerbrochen und stand halb offen in den Raum. Scherben funkelten auf dem Teppich.
    Ein Husten zu Joes Rechten weckte seine Aufmerksamkeit. Ein Junge in einer Uniform des Ritz stand in der Ecke, so weit wie möglich von der Leiche entfernt, angespannt und verschämt. Er war dort von Armitage postiert worden, um eine j unge Frau zu bewachen oder gar in Gewahrsam zu halten, die grollend auf einem Stuhl saß. Eine hübsche, junge Frau, die wütend eine Zigarette in einer Zigarettenspitze aus Elfenbein rauchte.
    »Ach ja! Hier ist jemand,
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