Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands

Titel: Die Tote im Ritz - Ein Fall fuer Detective Joe Sandilands
Autoren: Barbara Cleverly
Vom Netzwerk:
Würdenträger von Scotland Yard befürwortete er derzeit weibliche Polizisten, und während seiner noch jungen Amtszeit als Commissioner hatte er zwar ihre Anzahl reduziert, sie aber als feste Größe der Ordnungsmacht etabliert.
    »Ich meine«, fuhr er fort, »wenn Sie in den Schubladen dieser Dame wühlen müssen, sollten Sie vielleicht etwas weibliche Rückendeckung haben.«
    »Ihre Schubladen durchwühlen? Das mag zwar irgendwann vonnöten sein, aber damit werde ich sicher nicht anfangen …«
    Ungeduldig: »Ich meine, wenn Sie ihre Sachen durchsuchen. Muss ich es Ihnen erst buchstabieren? Sie scheinen um diese Uhrzeit ein wenig begriffsstutzig zu sein. Wenn Sie ihre Sachen durchsuchen müssen - Schmuck, Pelze, solche Dinge. Frauensachen. Das ist ein Tatort. Es ist das übliche Vorgehen. Ich schlage nichts weiter vor, als dass Sie ein wenig weibliche Hilfe brauchen könnten, dazu sind die Mädchen schließlich da - damit Sie nicht in Verlegenheit gebracht werden. Wir können die Mädels ruhig auch einsetzen, wenn wir sie schon haben. Verstehen Sie mich jetzt?«
    Tilly Westhorpe war Joes Einheit zugewiesen worden, und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr war er davon überzeugt, dass ihr sarkastisch-respektloser gesunder Menschenverstand wertvoll sein könnte, ganz zu schweigen von ihren Fertigkeiten beim Durchsuchen von Schubladen. Joe rief sie zu Hause an, eine Telefonnummer in Mayfair. Ein nobles Stadtviertel, aber das war keine Überraschung. Sir Nevils Rekrutierungsmethoden zielten auf Frauen eines »gewissen Standes«, wie er es nannte. Zu dieser Nachtzeit würde sie wahrscheinlich nicht so schnell ins Ritz kommen können … bestimmt brauchte sie eine Stunde, um ihre Uniform anzulegen. Und es bestand immer noch die Möglichkeit, dass ihre Eltern ihr nicht erlaubten, nachts allein aus dem Haus zu gehen.
    Eine deutlich sprechende Stimme antwortete, eine Männerstimme, die es fertigbrachte, zwar makellos korrekt zu bleiben, aber dennoch Misstrauen und Missbilligung sowie Überraschung zum Ausdruck zu bringen, wie ein Gentleman zu dieser Stunde anrufen konnte. Miss Mathilda sei nicht zu Hause und nein, es stehe ihm nicht frei, Joe mitzuteilen, wann ihre Rückkehr erwartet wurde. Joe hinterließ die Nachricht, sie solle so bald wie möglich Kontakt zu ihm im Ritz aufnehmen. Die Stimme wurde noch einige Grad frostiger und versicherte ihm, die Nachricht würde zum frühest schicklichen Zeitpunkt weitergeleitet. Joe hegte keinerlei Zweifel, dass dieser Zeitpunkt ungefähr zur Teezeit am nächsten Tag gekommen sein würde.
    Hastig band er seine Krawatte, griff nach seiner Gladstone-Tasche und nahm den alten Polizeimantel vom Haken hinter der Tür. Dann rannte er die Treppe hinunter zum Taxistand am Embankment.
     
    Das Ritz strahlte seine übliche Aura würdevoller Ruhe aus. Die Straßenlampen unter dem Bogengang wiegten sich leise im Wind und spiegelten sich auf dem feuchten Pflaster. Das Licht über dem Eingang leuchtete diskret und es standen einige Taxis parat. Kleine Gruppen verabschiedeten sich gerade voneinander, feuchtfröhliche Gesichter, kichernde Frauen, schallend lachende Männer, ein schäkerndes Lebewohl. Offenbar hatte sich die Neuigkeit noch nicht herumgesprochen, aber irgendwo in diesem edlen Ambiente lag die Leiche einer vornehmen Person des öffentlichen Lebens, »zu Tode geknüppelt«, wie Sir Nevil es formuliert hatte.
    Die Effizienz, mit der das Ritz den Mantel des Schweigens darübergelegt hatte, war derart, dass die Atmosphäre völlig normal zu sein schien. Das Personal stand auf seinem Posten oder ging in aller Ruhe seiner Tätigkeit nach. Der Nachtportier war nach außen hin ruhig, insgeheim jedoch zitternd, sowohl erschüttert als auch erregt angesichts seiner Verantwortung, urteilte Joe. Er trat an die Rezeptionstheke. »Ich habe«, sagte er mit leiser Stimme, »gewissermaßen eine Verabredung mit Dame Beatrice Jagow-Joliffe. Hier ist meine Karte.«
    Das Ritz roch stark nach Teppichboden, mit einer schwachen Obernote von Parfüm und Zigarren und irgendwo im Hintergrund - aber sehr diskret und ganz weit im Hintergrund - von teurem Essen. Der Nachtportier krümmte einen Finger und rief auf diese Weise einen Pagen zu sich, der Joe zu der vergoldeten Aufzugskabine führte. Sie hielten im vierten Stock an und traten in einen stillen Flur. Eine Gestalt, die vor der vierten Tür postiert war, nickte ihnen zu und Joe entließ den Pagen zu dessen großer Enttäuschung. Als Joe näherkam,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher