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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale
Autoren: Leena Lehtolainen
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am Handgelenk des Mädchens nach dem Puls, wie sie es im ErsteHilfeKurs gelernt hatte. Die Hand war noch warm, doch einen Pulsschlag spürte sie nicht.
    Kati schlug den Kofferraum zu und verriegelte ihn. Dann öffnete sie auf Ollis Seite die Tür und sagte:
    «Raus mit euch, das Auto ist kaputt. Wir müssen ein Taxi bestellen und die Polizei rufen.»
    «Nein, einen Mechaniker», protestierte Jussi. «Polizisten reparieren keine Autos.»
    «Die Polizisten kennen sicher auch einen Mechaniker», sagte Kati. Seltsam, wie ruhig ihre Stimme klang. Genau wie immer. Die Jungen durften nichts merken. Wo war ein Telefon? Und wie in aller Welt war das tote Mädchen in ihren Kofferraum gekommen?
    Noch nie war es im Mai so kalt gewesen. Eisiger Wind schlug mir ins Gesicht, als ich auf den Radweg einbog, der unter der Autobahn durchführte. Wir hatten nicht einmal zehn Grad, die Finken zwitscherten kläglich. Noch zwei Wochen bis zum Sommeranfang – man mochte es kaum glauben, bei diesem Oktoberwetter. Am Abend zuvor und die ganze Nacht hindurch hatte es heftig geregnet, nun zogen im Osten schon wieder dunkle Wolken auf.
    Ich fror an den Brüsten und mir lief die Nase, als ich endlich beim Polizeipräsidium von Espoo ankam. Da mir Jogging im siebten Monat schwer fiel, versuchte ich mich durch Rad-fahren und Krafttraining fit zu halten. Die Schwangerschaft war bisher problemlos verlaufen, manchmal vergaß ich sogar, dass ich ein Baby erwartete. Wahrscheinlich handelte es sich um eine Art Schutzmechanismus, ich war nämlich unge-wollt schwanger geworden, weil die Spirale versagt hatte.
    Ich arbeitete als Kriminalhauptmeisterin im Dezernat für Gewaltdelikte und Gewohnheitskriminalität der Polizei von Espoo. Ab und zu freute ich mich auf den Mutterschaftsurlaub, auf eine Zeit ohne Totschlag und Körperverletzung. Von einigen Monaten Arbeitslosigkeit abgesehen, hatte ich seit dem Abitur vor dreizehn Jahren wie eine Verrückte geschuf-tet.
    «Du sollst dich sofort bei Jyrki melden!», rief mir die Sekretärin zu. Ich brachte rasch die Jacke in mein Büro und ver-tauschte die Turnschuhe mit bequemen Schlappen.
    Jyrki Taskinen saß an seinem Schreibtisch und sprach aufgeregt am Telefon. Bei meinem Anblick beendete er das Gespräch hastig. Mein Vorgesetzter schien in der letzten Nacht kaum geschlafen zu haben: Sein ohnehin blasses, hageres Gesicht war hefegrau, die Augen waren geschwollen, und er hatte sich nicht rasiert. Er bot mir einen Stuhl an, machte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus.
    «Guten Morgen, Jyrki. Was gibt’s?»
    «Gestern Abend ist ein Tötungsdelikt gemeldet worden, ich möchte, dass du die Ermittlungen übernimmst. Du bekommst Pihko und Koivu als Mitarbeiter, und bei Bedarf na-türlich noch weitere. Ström möchte ich den Fall nicht geben, weil …» Er zuckte mit den Achseln. Kommissar Pertti Ström war berüchtigt für sein gegen null tendierendes Taktgefühl und seine grobe Ausdrucksweise.
    «Worum handelt es sich?», fragte ich zögernd. Da ich in knapp einem Monat in Mutterschaftsurlaub gehen würde, musste ich bei neuen Fällen damit rechnen, sie nicht selbst abschließen zu können.
    «Du erinnerst dich doch sicher an die Eisshow vor zwei Wochen …» Taskinen kämpfte sichtlich um Beherrschung.
    «Noora Nieminen wurde gestern im Kofferraum eines Pkw aufgefunden. Sie ist erschlagen worden.»
    «Um Himmels willen! Wem gehört der Wagen?»
    Taskinen warf einen Blick in die Akte.
    «Einer gewissen Kati Järvenperä, Studienberaterin an der Sommeruniversität, wohnhaft in der Kalastajankuja in Tiisti-lä. Sie sagt, sie habe den Kofferraum nicht abgeschlossen, als sie um zwanzig vor acht mit ihren Kindern zum Einkaufen ging. Als sie zurückkam, ihrer Aussage nach eine Minute vor acht, fand sie die Leiche im Kofferraum.»
    Vergeblich versuchte ich, die Bilder zu verdrängen, die vor mir aufzogen. Nooras ängstlicher Blick, Schneewittchens Blick, als es den Jäger anflehte, es zu verschonen. Ihr konzentrierter Gesichtsausdruck vor dem Sprung, das triumphie-rende Lächeln nach der gelungenen Darbietung …
    Ich bekam Sodbrennen wie so oft in letzter Zeit, mein Herz raste. Ich zwang mich, Fragen zu stellen, obwohl ich die Antworten nicht hören wollte.
    «Was weiß man über den Tathergang?»
    «Sie wurde am Kopf und Oberkörper mit einem bisher unbekannten Gegenstand misshandelt. Offenbar handelte es sich nicht um eine Stichwaffe. Die Todesursache ist Schä
    delbruch, verursacht durch einen Schlag auf den
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