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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale
Autoren: Leena Lehtolainen
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abzuwarten, fasste er mich an den Armen und schob mich hinüber. Es tat gut, sich anzulehnen, und instinktiv wusste ich, dass Janne dasselbe empfand, denn er ließ mich auf der anderen Seite nicht los, sondern begleitete mich zum Parkplatz, wo nur noch der Lieferwagen des Hausmeisters und mein kleiner Fiat standen.
    «Bist du nicht mit dem Auto da?», fragte ich.
    «Seit der Festnahme wegen meiner Raserei traue ich mich nicht mehr. Ich trete zu fest aufs Gaspedal, und bei jedem entgegenkommenden Lkw bin ich in Versuchung, das Steuer rumzureißen und Schluss zu machen.»
    Ich nickte. Trotz seines Eingeständnisses bat ich ihn, mich zur Klinik zu fahren, denn ich konnte mich nicht mehr ans Steuer setzen. Ich hatte kaum noch die Kraft, zu Hause anzurufen und Antti zu bitten, vor der Klinik auf mich zu warten.
    Natürlich war er in heller Aufregung, so sehr ich auch versuchte, ihn zu beruhigen. Ich hatte keine Schmerzen und Schnüppchen hatte gerade angefangen zu strampeln.
    «Natürlich hätte ich es der Polizei sofort erzählen müssen», sagte Janne, als wir auf die Finnoontie abbogen. «Aber ich war mir nicht sicher. Und ihr hattet mich in Verdacht …
    Wenn ich in der Situation Rami beschuldigt hätte, hättet ihr mir sowieso nicht geglaubt.»
    «Vielleicht doch. Aber du solltest dir keine Vorwürfe machen, damit änderst du nichts.»
    «Hätte Nooras Mutter Teräsvuori erschossen, wenn ich geredet hätte?»
    «Willkommen im Club», sagte ich bitter. Janne sah mich verwundert an, und ich erklärte ihm, wie viele Menschen sich an Teräsvuoris Tod schuldig fühlten. Janne antwortete nicht, wischte sich nur ab und zu über das Gesicht. Er war wohl kaum fahrtüchtiger als ich.
    Auf dem Parkplatz vor der Klinik war noch nichts von Antti zu sehen. Ich gab Janne Geld fürs Taxi und dachte, in einer anderen Welt und in etwas jüngeren Jahren hätte ich mich wahrscheinlich in ihn verliebt.
    «Sie bleibt, die Schuld, man wird sie nicht los. Man muss mit ihr leben, auch wenn man sich an manchen Tagen nicht im Spiegel begegnen mag», sagte ich. Ich hätte ihm gern etwas Tröstlicheres gesagt, doch dafür hatte ich die Worte nicht.
    Deshalb umarmte ich ihn, und Schnüppchen beteiligte sich mit einem energischen Tritt.
    Epilog
    In der strahlenden Vormittagssonne leuchteten die Kiefern-stämme braunrot. Vor der Klinik in Tammisaari blühten die Rosen, draußen waren es mindestens achtundzwanzig Grad.
    Im Entbindungszimmer war es etwas kühler. Ich lehnte mich im Sitzsack zurück und wartete auf die nächste Kontraktion. Die Wehen kamen alle drei Minuten, es würde noch Stunden dauern.
    Gegen fünf Uhr war ich in einer grünlichen Fruchtwasser-pfütze erwacht. Wir hatten unser Köfferchen gepackt und waren in den stillen Morgen hineingefahren. Es war ein unwirkliches Gefühl gewesen: Jetzt ist es soweit, Schnüppchen kommt zur Welt.
    Die letzten Wochen hatte ich vorwiegend im Wasser verbracht, mal in einem See, mal im Meer. Ende Juli war eine Hitzewelle ausgebrochen, die mir neue Sommersprossen be-schert und meinen Blutdruck bedenklich in die Höhe getrieben hatte. Dennoch hatte ich an der Gerichtsverhandlung teilgenommen, bei der Hanna Nieminen Unzurechnungsfä
    higkeit bescheinigt wurde. Sie wurde auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie eingewiesen. Dem Vernehmen nach wollte Teräsvuoris Bruder das Urteil anfechten.
    Der Fall Noora Nieminen sollte Anfang September zur Verhandlung kommen. Rami Luoto war geständig, die Anklage lautete auf Totschlag und Unzucht mit Minderjährigen. Ich hatte die Voruntersuchung vor Beginn des Mutterschaftsurlaubs abgeschlossen. Die Vernehmungen waren strapaziös gewesen, denn Rami hatte sich pausenlos entschuldigt. Die Gewissheit, zu einer langen Haftstrafe verurteilt zu werden, schien ihn zu erleichtern. Vielleicht war es gut, dass er noch nicht begriff, was ihm bevorstand. Zum Zeitpunkt ihres Todes war Noora zwar kein Kind mehr gewesen, doch Kinderschänder und mörder bildeten im Gefängnis die niedrigste Kaste, und ein Mann wie Rami würde sich nicht zu behaupten wissen. Bei allem Abscheu vor seiner Tat verspürte ich ein wenig Mitleid.
    Ich hatte Jane Austens Gesammelte Werke in die Klinik mitgenommen, doch in den kurzen Wehenpausen konnte ich mich nicht auf die Lektüre konzentrieren. Die nächste Wehe war bereits so stark, dass ich alles andere vergaß. Ich kreiste mit den Hüften, bis der Schmerz abebbte.
    Janne, Silja, Irina und Elena Grigorieva waren gleich nach Mittsommer zum Training
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