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Die Todesspirale

Die Todesspirale

Titel: Die Todesspirale
Autoren: Leena Lehtolainen
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nachzusetzen. Doch stattdessen war er aufs Eis gesprungen und zu dem Block hinübergefahren, wo ich mich befand. Er warf sich auf mich, als ich nach der Klinke griff. Und die Tür ging nicht auf.
    Als Luoto erneut zu einem Tritt ansetzte, warf ich mich zu Boden. Die Tür zu den Umkleideräumen war meine letzte Hoffnung. Wie eine voll gefressene Schlange schob ich mich unter dem Tor hindurch auf die Treppe zum Block F. Mit seinen Schlittschuhen war Rami langsamer als ich. Ich hatte bereits die Ehrentribüne erreicht, wo ich bei der Frühjahrsshow mit den Taskinens gesessen hatte, als er mich einholte.
    Ich musste dem wuchtigen Tritt seines rechten Beins ausweichen, stieß gegen einen Sitz und kam ins Schwanken. Im nächsten Moment war ich zwischen der Bande und Rami Luoto eingeklemmt.
    Ohne das Kind in mir hätte ich den Sprung auf das drei Meter unter mir liegende Eis gewagt, doch in meinem Zustand war das Risiko zu groß. Ich legte die Arme um den Bauch, erwartete den nächsten Tritt und lauerte auf eine Gelegenheit, den Angreifer aus der Balance zu bringen. Ich hör-te mein Keuchen, spürte den Atemdampf, nahm den aggres-siven Schweißgeruch wahr, den Rami ausströmte.
    Doch der Tritt kam nicht. Als ich von den Kufen aufblickte, sah ich ein Zucken im Gesicht des Trainers.
    «Ich kann’s nicht …», stammelte er und brach in Tränen aus.
    Zuerst konnte ich kaum glauben, dass die Gefahr vorüber war. Erst als Rami sich auf einen Sitz fallen ließ und das Gesicht in den Händen verbarg, begriff ich, dass er es nicht fertig brachte, Schnüppchen und mich zu töten. Da muss auch ich zusammengebrochen sein, denn es verstrichen einige Minuten, in denen wir beide schwiegen.
    «Es ist einfach passiert», schluchzte Rami schließlich und schnauzte sich die Nase am Jackenärmel. «Ich bin auf den Parkplatz bei der Schule in Matinkylä gefahren und habe versucht, Noora zur Vernunft zu bringen. Ich habe ihr versprochen, die Finger von Irina zu lassen, nie mehr ein Mädchen anzurühren. Noora hat mich beschimpft, sie hat geschrien, ich wäre pervers, und mir ins Gesicht gespuckt. Sie hatte die Sporttasche auf dem Schoß und fummelte an den Bändern ihrer Schlittschuhe herum. Da habe ich die Schlittschuhe genommen und zugeschlagen, immer wieder. Noora hat die Wagentür aufgemacht, ich habe noch einmal ausgeholt, sie ist hinausgefallen und mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen … Ich kann mich nicht mehr an alles erinnern.»
    Noora war reglos liegen geblieben, und Rami hatte ihr mit einem Handtuch das Blut vom Gesicht gewischt. Dann war ihm der Gedanke gekommen, er müsse sie zudecken. Im Kofferraum, wo normalerweise eine Reisedecke lag, hatte er einen schwarzen Müllsack gefunden, Nooras Leiche hinein-gestopft und in den Kofferraum gelegt. Sein Bericht war verworren, offenbar hatte er versucht, seine Tat zu verdrängen, als könne er sie damit ungeschehen machen.
    «Ich weiß nicht, warum ich ins Parkhaus gefahren bin. Zuerst hatte ich wohl vor, den Wagen dort abzustellen und als gestohlen zu melden. Aber dann wollte ich die Leiche einfach nur loswerden. Als diese Frau im Mercedes kam, sah ich, dass sie den Kofferraum nicht abschloss. Ich habe den Sack hingetragen und in den Mercedes geleert. Ich glaube, ich wusste gar nicht, was ich tat.»
    Mit seinem vom Weinen geröteten Gesicht erinnerte Rami Luoto nicht gerade an eine männliche Barbiepuppe, doch es war leicht nachvollziehbar, wieso Jussi Järvenperä eine Ähnlichkeit gesehen hatte. Luoto hatte die gleiche, wenn auch ergraute Frisur und dieselben Gesichtszüge wie Ken. Jussis Beobachtung war eines der Mosaiksteinchen, die mich auf die Spur des Täters geführt hatten. Um ein sorgfältig vorbereitetes, kompliziertes Verbrechen handelte es sich allerdings nicht, Rami hatte einfach Dusel gehabt. Seine Schwester war verreist gewesen, sodass er den Wagen in aller Ruhe an einer Tankstelle säubern konnte, nachdem er Nooras Sporttasche in das Wäldchen in Koukkuniemi geworfen hatte. Die Kufenschoner, die er im Auto vergessen hatte, versteckte er ein paar Tage später an der Bushaltestelle.
    «Ich habe die ganze Zeit auf meine Verhaftung gewartet.
    Und ich habe versucht zu gestehen, ich wollte … Aber dann konnte ich es doch nicht. Nicht einmal, als Hanna diesen Te-räsvuori umgebracht hat.»
    Benommen hörte ich zu. Ich war nicht mehr fähig, Rami Luoto zu hassen oder auch nur zu verabscheuen. Eigentlich war er mir gleichgültig. Auch Noora war in weite Ferne
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