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Die Todesbotin

Die Todesbotin

Titel: Die Todesbotin
Autoren: Carter Brown
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Gesicht
wie aus schmutzigem Pergament und einen Anzug an, der ihm drei Nummern zu groß
war. Meiner Ansicht nach lief er schon seit drei Monaten als lebender Leichnam
herum, es war nur noch niemandem aufgefallen.
    »Der Saal wird nur bei
besonderen Gelegenheiten benutzt«, erläuterte Filippa, während sie uns durch
das Hauptgebäude führte.
    »Zum Beispiel für Hinrichtungen ?« murmelte Boris und warf fast eine Ritterrüstung um.
    »Es sind moderne Wohnungen
angebaut worden«, fuhr Filippa fort, ohne ihn zu beachten. »Dort werden Sie
untergebracht. Alles sehr bequem.«
    »Jedes Zimmer mit eigenem
Gespenst ?« erkundigte sich Boris, bekam aber keine
Antwort.
    Lord und Lady Mapleton
erwarteten uns in einem Salon, der mir auch nicht viel kleiner erschien als
soeben die große Empfangshalle. Wie Boris mir schon erzählt hatte, war Lord
Mapleton fast sechzig Jahre alt. Er hatte langes graues Haar, einen struppigen
Schnurrbart und einen riesigen Schmerbauch. Sein Anzug sah aus, als sei er vom
Butler abgelegt worden. Der Lord empfing uns mit einem Lächeln, das nicht bis
zu seinen blutunterlaufenen, blauen Augen reichte, und bot mir eine schlaffe
Hand, nachdem Boris uns bekannt gemacht hatte.
    »Nett, daß Sie gekommen sind,
Slaker«, sagte er. »Ich hatte schon immer eine Schwäche für literarisches
Talent .«
    »Besten Dank«, sagte ich.
»Übrigens heiße ich Baker .«
    »Ja, ja«, nickte er ungeduldig.
»Sie sind hier der Drehbuchautor. Slivitz hat mir das schon gesagt .«
    Lady Mapleton war eine
atemberaubende Blondine mit kurzem Pagenkopf, blauen Augen, die mit täuschender
Unschuld in die Welt blickten, und mit dem größten Mund, den ich jemals gesehen
hatte. Sie trug eine seidene Robe, die züchtig hätte aussehen sollen, aber die
hohen vollen Brüste und die geschwungenen Hüften straften das Kleid Lügen. Die
langen Beine verrieten unter der Seide feste Schenkel und zeigten zierliche
Knöchel.
    »Und das ist meine Frau«, sagte
Mapleton. »Sie sind Landsleute, deshalb werden Sie sich bestimmt gut verstehen.
Was mich betrifft, so verstehe ich meistens überhaupt nicht, was sie meint,
aber das tut nichts zur Sache .« Er lachte asthmatisch
und gab ihr einen Klaps aufs Hinterteil. »Aber bei Gott, ihr verdammten Yankees
versteht was von Frauenzucht. Désiree ist ’ne richtige Sexplombe .«
    »Du meinst Sexbombe, Darling«,
sagte seine Frau mit einem klingelnden Lachen.
    »Jedenfalls ist sie im Bett die
reinste Tigerin«, fuhr Mapleton jovial fort. »Man weiß nie, wann sie einen das nächstemal anspringt .«
    »Mr. Baker ist bestimmt nicht
an deinen Intimerlebnissen interessiert, George«, sagte die Blondine mit einem
eisigen Ton in der Stimme, der mir einen Adrenalinstoß durch die Adern
schickte.
    »Wirklich nicht?« Mapleton
schien darüber irgendwie überrascht. »Auch gut. Jedenfalls erwarten wir für heute nachmittag noch mehr Gäste.
Sie kommen alle zum großen Ereignis des Jahres, welches entweder heute oder morgen nacht stattfinden muß .«
    »Haben Sie den Spuk jemals
selbst gesehen ?« erkundigte ich mich.
    »Nein, und das möchte ich auch nicht«,
sagte er. »Jedesmal, wenn sie umgeht, muß angeblich ein Mapleton ins Gras
beißen .« Er blinzelte besorgt.
    »Bestimmt möchten Sie etwas
trinken«, mischte sich Lady Mapleton schnell ein.
    »Gute Idee«, sagte Mapleton,
»ich läute gleich nach Hobbs .«
    »Bis der hier auftaucht, wird
es Zeit zum Abendessen«, sagte die Blondine schnippisch. »Ich hole uns schon
selbst etwas. Was möchten Sie haben, Mr. Baker ?«
    »Gin und Tonic wäre nett«,
sagte ich.
    »Und ich nehme eine Bloody Mary«, ergänzte Filippa.
    »Für mich dasselbe«, sagte
Boris schnell. »Bloß ohne Tomatensaft.«
    »Ich nehme das übliche, aber in
der Bibliothek«, sagte Mapleton. »Laß es mir mit meinen Sandwiches bringen. Verdammter Fisch zu Mittag, kann ich nicht ausstehen. Noch
nie.« Er gestikulierte unbestimmt. »Wenn Sie etwas über die Burg wissen wollen,
fragen Sie meine Frau. Sie ist sehr alt. Noch älter als ich, wenn man’s
bedenkt.« Wieder lachte er asthmatisch. »Ich habe schon zwei Frauen überlebt,
Slaker. Das läßt einen Mann altern. Jetzt hoffe ich nur, daß die dritte eine
glücklichere Hand hat und mir meine Jugend zurückbringt. Das ist auch die Idee
hinter dem Film. Hauptsache, er macht Désiree glücklich und gibt uns allen
Auftrieb. Sie könnten sogar die Sache von der Weißen Frau verwenden, Slaker.
Denken Sie mal darüber nach .«
    Er wandte sich ab
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