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Die Tochter des Münzmeisters

Die Tochter des Münzmeisters

Titel: Die Tochter des Münzmeisters
Autoren: Marion Henneberg
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Einzelnen von ihnen mit einem gewaltigen Schwertstreich niederzustrecken. Hemma würde Othmars erstaunten Gesichtsausdruck niemals vergessen, bevor er zu Boden ging. Nun hatte Azzo ihren Bruder, der zum Glück endlich aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, ins Haus getragen, und Hemma hoffte inständig, dass ihre Mutter einen Beruhigungstrank zu sich genommen hatte und nichts von dem ganzen Unglück mitbekam. Obwohl eine innere Stimme ihr zuflüsterte, dass der Wunsch völlig absurd war.
    »Was ist? Ihr seid wohl überrascht, dass wir uns direkt in die Höhle des Löwen begeben haben?«, raunteBurchard ihr zu, während er sie zu sich heranzog. »Ihr könnt unbesorgt sein, denn ich bin bestens im Bilde. Euer von mir hochgeschätzter Vater befindet sich bei unserem verstorbenen Kaiser. Ja, da staunt Ihr, was?«, fügte er erheitert hinzu, als er ihren überraschten Gesichtsausdruck bemerkte. »Auch ich habe meine Späher. Doch jetzt wollen wir es uns gemütlich machen, schließlich sollten Gäste nicht im Regen stehen.«
    Burchard stieß Hemma grob vor sich her ins Haus hinein. Die junge Frau wunderte sich über die Stille und betete erneut, dass ihre Mutter verschont bleiben möge.
    »Wir schleichen uns von hinten an, Johann, und klettern beim Waschhaus über die Mauer. Einer von euch reitet vorne ans Tor und begehrt Einlass, die anderen kommen mit mir.«
    Gottwalds langjähriger Weggefährte erteilte Emmerich, einem ungeduldig wirkenden Mann Anfang zwanzig, den Auftrag. Er wirkte nicht begeistert, als er zum Zeichen des Verstehens kurz nickte.
    »Gib Acht! Wenn dir irgendetwas seltsam vorkommt, dann verschwinde und reite bloß nicht hinein«, warnte Gottwald ihn eindringlich. »Wir warten auf ein Zeichen von dir, bevor wir über die Mauer klettern. Sollte alles in Ordnung sein, so entzünde eine Fackel im Hof. Viel Glück!«
    Emmerich nickte erneut, wobei er dieses Mal einen weitaus erfreuteren Eindruck machte. Anscheinend wurde ihm jetzt erst die Wichtigkeit seines Auftrags klar. Kaum war er außer Sichtweite, gab Gottwald den anderen ein Zeichen, ihm langsam zu folgen. Etwa einhundert Meter von seinem Gut entfernt blieben sie stehen und banden die Pferde an einer Baumgruppe an. Mittlerweile konnten sie nur noch die Umrisse der Mauer und Gebäude erkennen, denn der Wind fegte dichte, dunkle Wolken über den abendlichen Himmel, die fast ständig den Mond verdeckten und dadurch die einzige Lichtquelle raubten, die sie im Moment hatten. Seit einiger Zeit schlug ihnen auch noch der Regen ins Gesicht. Die Männer, die bis auf die Haut durchnässt waren, schlichen leise und in gebückter Haltung zur Mauer, wobei sie angestrengt darauf achteten, ob sie irgendetwas hören oder sehen konnten.
    Sie waren ungefähr zwanzig Meter von der Mauer entfernt, die den Hof umgab, als sie ein lautes Pochen in der Stille vernahmen.
    »Wer da?«, ertönte prompt die Frage.
    Gottwald hatte die Stimme noch nie zuvor gehört. Alarmiert beschleunigte er seinen Schritt, und gleich darauf befanden sich alle unterhalb der Stelle, die den einzigen Schwachpunkt der Mauer darstellte. Die Außenmauer des Waschhauses war in die schützende Steinmauer integriert. Damals hatte Gottwald den Fehler zu spät erkannt und ihn stets beheben wollen. Jetzt war er froh, dass er es versäumt hatte, denn so konnten sie ohne große Schwierigkeiten durch die verriegelte Fensteröffnung ins Haus gelangen.
    »Ich bin Emmerich, ein Bote des Vogts, und begehre Einlass«, folgte nach einer kurzen Pause die Antwort.
    Gottwald hoffte, die kleine Verzögerung ließe darauf schließen, dass Emmerich gewarnt war, weil er die Stimme ebenfalls nicht erkannt hatte. Andererseits war der junge Mann noch nicht lange bei ihm und dadurch vielleicht zu arglos.
    Ungeduldig beobachtete er, wie Johann und zwei weitere Männer aufeinanderkletterten und der oberste von ihnen mit seinem Messer den Riegel bearbeitete. Die kurzen Schläge kamen Gottwald unheimlich laut vor,und er hoffte, dass niemand sie drinnen hörte. Mittlerweile war er nämlich davon überzeugt, dass jemand von seinem Grund und Boden Besitz ergriffen hatte. Weiter wagte er gar nicht zu denken.
    Das Tor öffnete sich knarrend. Schon hundertmal hatte Gottwald dieses Geräusch gehört und jedes Mal beschlossen, es nicht ölen zu lassen, denn seltsamerweise gab es ihm ein Gefühl von Sicherheit.
    Damit war es nun vorbei.
    Ihre Peiniger hatten Hemma und ihren Bruder in den großen Raum im Erdgeschoss getrieben, in dem die
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