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Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte

Titel: Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
Autoren: Torsten Fink
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den Boden verteilten Tonscherben einzusammeln.
    Maru wollte ihm helfen, aber er hielt sie mit einer Armbewegung davon ab. »Lass nur, Mädchen, lass nur. Du machst es nur noch schlimmer. Und es ist schlimm genug.«
    Maru stellte den Korb wieder ab, der ihr eben in der Hand zerrissen war. Es war doch nicht ihre Schuld, dass das Geflecht mürbe geworden war. Sie hatte ja keine Ahnung, wie lange er schon an seinem Platz gestanden hatte. Sie seufzte und betrachtete den schmalen Körper des Schreibers, der zwischen den zum Bersten gefüllten Regalen kniete und Tonstückchen aufsammelte. Er aß zu wenig, auch wenn sie sich alle Mühe gab, das zu ändern.

    »Aber wenn ich dich richtig verstanden habe, Temu, sind dies die Tafeln, die du ohnehin fortschaffen wolltest.«
    »Wolltest? Wolltest?« Temu kniete auf dem Boden und sah sie an. Selbst im unsteten Licht der Kerzen sah sie das wütende Funkeln seiner Augen. »Von Wollen kann hier doch keine Rede sein. Sieh dich um! Das Bet Schefir ist zu klein. Und so ist es schon lange. Wie oft habe ich den ehrenwerten Verwalter Gadhyran schon angefleht, diese Hallen endlich zu erweitern! Doch ist dafür auch nur ein Segel Silber da? Nein!«
    Maru hätte die letzten Sätze mitsprechen können, so oft hatte sie sie in den vergangenen Wochen schon gehört. Sie kannte auch die nächsten Worte des Schreibers, und sie wusste, dass es nichts fruchtete, ihn zu unterbrechen.
    »Für die Tempel haben sie Silber und für ihren albernen Krieg, für den erst recht! Nur für das Bet Schefir nicht. Es ist ja auch nur die Heimat allen Wissens der Akkesch! Seit vielen Monden liege ich dem Verwalter in den Ohren, sage, wir brauchen mehr Platz. Und was antwortet er mir? Was sagt er mir ins Gesicht, dieser kydhische Narr? Ich solle doch einfach die alten Listen fortwerfen. Fortwerfen! Wissen vernichten! Was weise Männer sorgfältig aufgeschrieben haben in alter Zeit, in Ton gedrückt, weil es wichtig war. Und was im Alten Akkesch wichtig war, kann doch im Neuen nicht plötzlich unwichtig sein!«
    »Du meinst die Erntelisten, die du in diesem Korb gesammelt hast?«
    »Hattest, muss es heißen, hattest! Denn durch deine Ungeschicklichkeit sind sie nun über den Boden verteilt und zerbrochen, und ich werde Tage brauchen, sie wieder zusammenzusetzen.«
    »Bevor du sie dann doch fortwirfst?«, fragte Maru sanft. Sie verstand Temu inzwischen ganz gut, und ohne Zweifel hatte er recht, was das Bet Schefir anging. Es platzte aus allen Nähten. Die Körbe mit den Schrifttafeln füllten die Regale bis an die Decke und zwischen
den hölzernen Gestellen waren die engen Gänge mit weiteren Weidenkörben zugestellt. Sie verstand aber auch, dass die Verwalter von Ulbai zurzeit andere Sorgen hatten.
    Temu stand auf und hielt Maru ein Tontäfelchen vor die Nase. »Schau, Mädchen, siehst du das?«
    Maru hatte in den vergangenen Wochen viel Zeit mit Temu verbracht. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich daran, wie schroff und abweisend der Schreiber am Anfang gewesen war. Ein Mädchen aus der Fremde, das weder lesen noch schreiben konnte? Ein undenkbares Ding zwischen all den kostbaren Schrifttafeln, von denen jede einzelne Temu heilig zu sein schien. Aber Maru war beharrlich, neugierig und nahm Anteil an den Sorgen des Schreibers. Und aus abweisendem Misstrauen war allmählich eine zurückhaltende Freundschaft geworden. Inzwischen konnte Maru einige der Zeichen lesen, die die Akkesch verwendeten. Genauer gesagt etwa drei Dutzend. Die Schrift der Akkesch bestand aber aus deren sechshundert, wenn stimmte, was Temu sagte. Immerhin konnte Maru erkennen, dass es sich bei dem Täfelchen tatsächlich nur um eine Ernteliste handelte. Da waren Zahlzeichen und die Symbole für Gerste und Datteln, die sie wiedererkannte.
    Temu räusperte sich: »Hier steht, dass die Stadt Aqit dreihundert Sack Gerste lieferte. So geschehen im Feigenmond des Jahres, in welchem Stadthalter Scherrumschar der Göttin Eperu eine Statue im Tempel errichtete. Und wenn du nur ein wenig über die Listen des Alten Akkesch wüsstest, würdest du jetzt hellhörig werden und fragen, wieso die Stadt Aqit so wenig Getreide lieferte, wo es doch sonst mehr als das Doppelte war. Und du würdest in einer weiteren Liste die Namen der Jahre abgleichen und feststellen, dass dies geschah, nur drei Jahre bevor die Akkesch zu ihrem gro ßen Marsch aufbrachen. Du würdest also erkennen, dass in jenem Jahr der Niedergang schon eingesetzt hatte.«
    »Die Akkesch haben ihre
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