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Die Tochter des Goldsuchers

Die Tochter des Goldsuchers

Titel: Die Tochter des Goldsuchers
Autoren: Nora Roberts
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hätte sie die Federn am Schaft des Pfeils zählen können. Plötzlich stürzte er vom Pferd.
    Wie ein böser Traum, dachte Sarah und musste sich heftig kneifen, um nicht in Ohnmacht zu fallen.
    Ein weiterer Reiter kam in ihr Blickfeld, tief über den Hals seines Ponys gebeugt, einen Revolver in beiden Händen. Er war kein Indianer, obwohl er Sarah genauso wild vorkam. Sein schwarzes Haar war halb unter einem grauen Hut verborgen, und seine Haut war fast so dunkel wie die des Apachen. Seine Augen blickten jedoch eiskalt.
    Er schoss nicht auf sie, wie sie schon befürchtet hatte, sondern feuerte über seine Schulter nach hinten, erst mit der rechten, dann, während ein Pfeil an seinem Kopf vorbeizischte, mit der linken Hand.
    Erstaunlich, dachte Sarah, und ihr anfängliches Entsetzen wich einer seltsamen Erregung. Er war großartig, sein muskulöser, angespannter Körper schien eins mit dem dahingaloppierenden Pferd zu sein. In diesem Moment fasste die Dame neben ihr sie wiederum an den Armen und jammerte.
    Während Jake hinter sich feuerte, hielt er sich ebenso leicht durch den Druck seiner Knie im Sattel wie ein Apache. Er hatte einen Blick auf die Passagiere erhascht, besonders auf ein blasses, dunkeläugiges Mädchen mit einer blauen Haube. Die Apachen hätten ihren Spaß an ihr, dachte er leidenschaftslos, während er seine Revolver in die Holster zurückgleiten ließ.
    Jetzt bemerkte er den Kutscher, der, die Schulter von einem Pfeil durchbohrt, seine Pferde wieder unter Kontrolle zu bekommen versuchte. Er gab sein Bestes, trotz aller Schmerzen, aber er war zu geschwächt, um den Bremshebel herunterzudrücken. Fluchend trieb Jake sein Pferd vorwärts, bis er nahe genug an der rasenden Kutsche war. Jetzt versuchte er, mit den Händen einen Halt zu finden.
    Ein paar scheinbar endlos dauernde Sekunden hing er mit seinem ganzen Gewicht nur an seinen Fingern. Sarah erhaschte einen Blick auf sein staubiges Hemd, den muskulösen Unterarm, ein lederbehostes Bein und einen zerkratzten Stiefel. Gleich darauf war er oben, arbeitete sich über das Dach der Kutsche nach vorn. Die Frau neben ihr schrie jetzt wie am Spieß und fiel prompt in Ohnmacht, sobald der Wagen zum Stehen kam. Sarah war zu aufgeregt, um still sitzen bleiben zu können. Eilig stieß sie die Wagentür auf und kletterte hinaus.
    Der Mann mit dem grauen Hut stieg bereits vom Bock. »Ma’am«, sagte er, als er an Sarah vorbeiging.
    Sie presste die Hand auf ihr klopfendes Herz. Nie hatte sich jemand so heldenhaft verhalten! »Sie haben uns das Leben gerettet«, brachte sie mühsam heraus, doch er blickte nicht einmal in ihre Richtung.
    »Redman.« Der Fahrgast mit der Whiskeyflasche war ebenfalls ausgestiegen. »Ein Glück, dass Sie uns zu Hilfe gekommen sind.«
    »Lucius.« Jake ergriff die Zügel seines Pferdes und klopfte ihm beruhigend auf den Hals. »Es waren nur sechs.«
    »Die machen sich ja aus dem Staub«, platzte Sarah heraus. »Sie lassen sie so einfach davonkommen?«
    Jakes Blick folgte der kleiner werdenden Staubwolke und wandte sich dann Sarah zu. Jetzt hatte er endlich Zeit, sie genauer zu betrachten. Sie war zierlich, und ihre Herkunft von der Ostküste stand ihr deutlich ins hübsche Gesicht geschrieben. Honigfarbenes Haar quoll ihr unter der Haube hervor. Sie sah aus, als sei sie soeben dem Klassenzimmer entsprungen. Unwillkürlich musste er schmunzeln.
    »Tja.«
    »Aber das können Sie doch nicht!« Ihr Bild von einem Helden begann rasch zu zerbröckeln. »Die Indianer haben einen Mann getötet.«
    »Er kannte das Risiko. Dafür wurde er auch gut bezahlt.«
    »Sie haben ihn ermordet«, begann Sarah von Neuem, als spräche sie zu einem begriffsstutzigen Schüler. »Er liegt dort hinten mit einem Pfeil in der Brust.« Als Jake, ohne darauf einzugehen, sein Pferd hinter die Kutsche führte, folgte sie ihm. »Sie könnten wenigstens zurückreiten und die Leiche des armen Mannes holen. Wir dürfen ihn doch nicht einfach dort liegen lassen.«
    »Wenn wir ihn holen, macht ihn das auch nicht wieder lebendig.«
    »So redet man nicht von einem Toten.« Sarah fühlte sich elend und nahm ihre Haube ab, um sich damit Luft zuzufächeln. »Der Mann verdient eine anständige Beerdigung. Ich kann doch nicht … Was machen Sie denn da?«
    Jake musterte sie abschätzend. Ungewöhnlich hübsch, lautete sein Urteil. Sogar noch hübscher, wenn sie das Haar nicht unter der Haube verstecken würde. »Ich binde mein Pferd an.«
    Sarah ließ die Hand, in der sie
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