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Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster

Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster

Titel: Die Terranauten TB 04 - Zeitfenster
Autoren: Robert Quint
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hierhergebeten hat? Schließlich – ich besitze keine Beweise, nichts Schriftliches, nur die mündliche, verschlüsselte Anweisung über den Telefaxkanal. Verschlüsselt in einem Kode, der nur mir und Zamuel bekannt ist …
    »Soll ich ihn erschießen?« fragte Terjung und deutete auf den Idioten.
    Der Idiot kicherte. Er rollte mit den Augen. Speichel tropfte aus seinen Mundwinkeln. Er strahlte über das ganze Gesicht. Der Idiot war glücklich. Gral fror. Ihm erschien der Idiot wie ein Wesen aus einer fremden Welt. Er gehörte nicht hierher. Allein seine Anwesenheit stellte einen Verstoß gegen alle Gesetze der Vernunft dar. Seine kichernde Zufriedenheit war nicht-irdisch und nicht-menschlich. Und gleichzeitig mitleiderregend.
    Gral winkte ab.
    »Nein«, sagte er. »Lassen Sie ihn.« Er zögerte und befahl dann: »Durchsuchen Sie Zamuels Taschen. Vielleicht gibt es irgendeinen Hinweis darauf, warum er mich hierherbestellt hat. Aber seien Sie vorsichtig, Terjung. Niemand darf erfahren, daß wir hiergewesen sind. Haben Sie verstanden? Haben Sie das verstanden?«
    Terjungs Glasaugen verrieten keine Überraschung.
    »Ich habe Sie verstanden«, bestätigte er. »Ich werde tun, was Sie befehlen. Ich bin Ihr Wächter. Ich bin loyal.«
    Loyal? echote es in Grals Schädel. Tatsächlich loyal? Oder ist dies nur eine Floskel?
    Terjung kam Grals Aufforderung nach. Der Vizedirektor wartete mit Ungeduld, bis der Söldner schließlich die Empore verließ und zu ihm trat.
    »Nichts«, sagte Terjung. »Keine ID- oder Kreditkarte, keine Papiere. Nur das hier …«
    Er reichte Gral einen zerknitterten Zettel, halb so groß wie eine Handfläche.
    Gral faltete den Zettel auseinander, glättete ihn und überflog verständnislos den handschriftlichen Satz. Zamuels Handschrift; daran bestand kein Zweifel.
    Ein Ring für viele Finger
    Gral blickte auf. »Sie haben es gelesen?«
    Terjung schüttelte den Kopf. »Das ist nicht meine Aufgabe.«
    Ein Ring für viele Finger, dachte Gral verwirrt. Was, zum Teufel, hat Zamuel damit gemeint? Und warum trug er diesen Zettel bei sich – nicht jedoch seinen ID-Ausweis und die Kreditkarte?
    Nachdenklich schob der Vizedirektor den mysteriösen Zettel in die Innentasche seines einteiligen Kunststoffanzuges und sah noch ein letztes Mal zu Zamuel hinüber.
    Zamuels Gesicht wirkte entspannt, fast friedlich, erleichtert. Hatte der Tod ihn so überraschend getroffen, daß ihm nicht einmal mehr die Zeit geblieben war, Angst zu empfinden? Oder hatte der SD-Direktor sich bereits mit dem Tod abgefunden? Hatte er gewußt, daß der Killer ihn erwartete?
    Gral schüttelte benommen den Kopf.
    Die Wirkung des Amphetamins ließ langsam nach und machte einer lähmenden Müdigkeit Platz.
    »Wir verschwinden«, sagte Gral rauh.
    Terjung nickte.
    An der Wand kauerte der Idiot und kicherte entzückt vor sich hin. Sonst war es still in der Tiefe.

II
Die Stahlkammer
    Der Blizzard wütete schon seit drei Tagen über ganz Westeuropa, und nichts deutete auf sein Ende hin. Die Luft war weiß von Schneeflocken, die wie fette Wattebäusche von den Sturmböen hin und her gejagt wurden und erst nach stundenlanger Irrfahrt den Boden erreichten.
    Das Schachbrettmuster der Züricher Neustadt, die man auf den Trümmern der alten, im Jahre 2027 abgebrannten Metropole errichtet hatte, war unter der kalkigen Schneedecke fast unsichtbar.
    Meterhoch lag der Schnee auf den Straße und Plätzen, türmte sich zu Höckern und Hügeln auf den Dächern, und die Räumfahrzeuge waren Tag und Nacht im Einsatz, um die Hauptverkehrsadern von der eisigen Last zu befreien.
    Es war kalt wie in einer Tiefkühltruhe. Limmat und Zürichsee waren vereist, und das Schneetreiben begrenzte die Sicht auf eine Handvoll Meter.
    Gral fröstelte, wenn er nur an die Kälte dachte, die draußen herrschte. Dämmerflüssigkeit trübte die dicken Scheiben des Doppelglasfensters, und wenn er sich auf seine Akten konzentrierte, dann gelang es ihm fast, den rauhen Winter zu vergessen.
    Grals Büro lag hoch über den Straßen der Stadt, hundert Stockwerke vom Boden entfernt, und allein dies sagte genug über die Bedeutung seines Postens.
    Es war angenehm warm im Büro.
    Gral hatte die beiden oberen Knöpfe seiner weiten, dicken Wolljacke geöffnet und zog nervös an einer Zigarette.
    Immer wieder schweiften seine Gedanken ab, zurück in das tiefe Labyrinth unter dem Granit der Eifel, zu Zamuel, der tot auf der Empore saß, und dem Idioten, der selig kicherte und sabberte
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