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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin
Autoren: Petra Hammesfahr
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bin fertig.»
    Er hatte geduscht und sich die Zähne geputzt. Er war noch einmal mit dem Rasierapparat über Wangen und Hals gefahren, hatte etwas After-Shave auf die Haut getupft. Sauber, duftend und gut aussehend stand er an der Tür zum Bad. Ertrug nur einen Slip. Unter dem dünnen Stoff zeichnete sich seine Erektion überdeutlich ab. Er grinste verlegen und strich mit der Hand durch den Nacken, weil ihm das Haar dort beim Duschen feucht geworden war. Dann fragte er zögernd: «Oder hast du keine Lust?»
    Es wäre leicht gewesen, nein zu sagen. Sie dachte auch kurz daran. Nur war das Problem damit nicht aus der Welt. Aufgeschoben war nicht aufgehoben.
    Im Bad war sie rasch fertig. Auf der Ablage über dem Waschbecken lag die Packung mit dem Schlafmittel. Es war ein stärkeres als zu Anfang, und die Packung war noch fast voll. Sie nahm zwei Tabletten mit einem halben Becher Wasser. Dann, nach einem Moment des Zögerns, schluckte sie auch die restlichen sechzehn in der Hoffnung, es möge reichen, ein Ende zu machen. Sie ging ins Schlafzimmer, legte sich neben Gereon und rang sich ein Lächeln ab.
    Er machte nicht viel Aufhebens, war bemüht, es schnell hinter sich zu bringen, brachte die Hand ans Ziel, schob einen Finger vor und prüfte die Möglichkeiten. Es gab keine. Seit er versucht hatte, sie dort zu küssen, gab es keine mehr. Inzwischen war er daran gewöhnt, hatte eine Gleitcreme besorgt, die er sanft einmassierte, bevor er sich über sie schob und in sie eindrang.
    Und in dem Augenblick begann der Wahnsinn. Es war völlig still im Raum, von Gereons Atem abgesehen, der erst verhalten war, dann heftiger und lauter wurde. Außer dem Atem war nichts da. Und trotzdem hörte sie es, wie aus einem unsichtbaren Radio eingespielt. Nach einem halben Jahr war der Rhythmus so vertraut wie der eigene Herzschlag; die rasend schnellen Schlagzeugwirbel, begleitet von den Akkorden der Bassgitarre und dem hohen Pfeifen der Orgel. Als Gereon schneller wurde, steigerte es sich, bis sie glaubte, ihr Herz müsse zerplatzen. Dann war es vorbei, wie abgeschnitten genau in der Sekunde, in der Gereon sich neben sie rollte.
    Er drehte sich auf die Seite und schlief rasch ein. Sie starrte in die Dunkelheit und wartete darauf, dass die Wirkung der sechzehn Tabletten einsetzte.
    Ihr Magen schien mit flüssigem Blei gefüllt, brannte und rumorte wie in Feuer getaucht. Dann stieg es heiß und ätzend in die Kehle. Mit knapper Not schaffte sie es ins Bad und übergab sich. Anschließend weinte sie sich in den Schlaf, weinte sich durch den Traum, der ihr die Nacht in tausend Stücke riss, weinte noch, als Gereon sie an der Schulter rüttelte und verständnislos anstarrte. «Was hast du denn?»
    «Ich kann nicht mehr», sagte sie. «Ich kann einfach nicht mehr.» Beim Frühstück war ihr immer noch übel, und sie hatte rasende Kopfschmerzen. Die hatte sie häufig am Wochenende. Gereon erwähnte den Vorfall in der Nacht mit keinem Wort, betrachtete sie nur mit misstrauischen und zweifelnden Blicken.
    Er hatte Kaffee aufgebrüht. Er war ihm zu stark geraten und ließ den geschundenen Magen noch einmal heftig rebellieren. Gereon hatte auch das Kind aus dem Bettchen genommen, hielt seinen Sohn auf dem Schoß und fütterte ihn mit einer Scheibe Weißbrot, die er dick mit Butter und Konfitüre bestrichen hatte. Er war ein guter Vater, kümmerte sich um das Kind, sooft er die Zeit fand.
    Die Woche über wurde der Kleine von der Schwiegermutter betreut und schlief auch bei den Schwiegereltern, in dem Raum, der früher Gereons Zimmer gewesen war. Für das Wochenende nahm sie ihn dann mit ins eigene Haus. Und wie er da auf Gereons Schoß saß, schien er ihr das Beste, was sie im Leben erreicht hatte.
    Gereon wischte ihm die Konfitüre vom Kinn und aus den Mundwinkeln. «Ich zieh ihn mal an», sagte er. «Du willst ihn doch sicher mit zum Einkaufen nehmen.»
    «Ich fahre heute später», sagte sie. «Und bei der Hitze nehme ich ihn lieber nicht mit.»
    Es war erst neun Uhr, und das Thermometer stand schon bei fünfundzwanzig Grad. Der Schmerz im Kopf drückte ihr fast die Augen aus den Höhlen. Sie konnte kaum denken, und sie musste das sorgfältiger planen und durchführen. Ein spontaner Entschluss wie in der Nacht war nicht gut, da blieb zu viel unberücksichtigt. Während Gereon sich um den Rasen kümmerte, holte sie sich bei der Schwiegermutter eine von den starken Schmerztabletten, die es nur auf Rezept gab. Anschließend wischte sie ihre Küche,
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