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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel
Autoren: Charlotte Link
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hinter deinem Rücken erneut eine Beziehung zu einem Mädchen aufgenommen. Er war raffiniert und geschickt genug, dies über Wochen vor dir und deinem Mann zu verbergen. Heimtückisch genug, deine Abwesenheit zu nützen, um diese Ferienreise anzutreten, von der er genau wußte, du hättest sie nie zugelassen. Was hast du denn eigentlich geglaubt? Daß er auf wundersame Weise seine kranke Veranlagung überwunden habe?«
    Sie sah ihn nicht an. Er hatte plötzlich das Gefühl, als verließe ihn von einem Moment zum anderen alle Energie, flute hinaus aus seinem Körper und ließe eine leere, erschöpfte Hülle zurück. Seine Arme hingen kraftlos herab.
    »Weißt du, was ich am wenigsten verstehe?« fragte er müde. »Wie du bei alldem noch nach England verschwinden konntest und sogar mit dem Gedanken spieltest, für immer dort zu bleiben. Nach allem, was du angerichtet hattest...«
    Sie erwiderte auch diesmal nichts. Aber er kannte sowieso die Antwort: Wenn es zu schlimm wurde, lief sie davon. So war sie immer gewesen. Wenn sie nicht mehr konnte, brach sie ihre Zelte ab und tauchte unter. So weit sie konnte. In ein anderes Land, in ein anderes Leben. Sie verließ einen Menschen, eine Situation mit der gleichen Radikalität, mit der sie sich zuvor an den Menschen, an die Situation hingegeben hatte. Es war ihre einzige Möglichkeit, mit dem Leben fertig zu werden.
    »Ich kann es nicht verstehen«, wiederholte er, »ich kann es einfach nicht verstehen.«
    Wiederum sagte sie nichts, und er sah zum erstenmal ein, daß es ihr von nun an völlig gleichgültig war, ob er sie verstand oder nicht.

    Sie hatten beide eine ganze Weile ihren Gedanken nachgehangen, und Andrew hatte nicht mehr auf die Uhr gesehen; nun stellte er plötzlich fest, daß Phillips Maschine jeden Moment landen mußte. Er kramte ein paar Geldstücke hervor und legte sie auf den Tisch.
    »Ich muß gehen«, sagte er, »dein Mann kommt gleich an.«
    Sie nickte. Er erhob sich, sah auf sie hinunter, in ihr starres Gesicht. Nichts auf der Welt, so schien es ihm, war so unerreichbar für ihn wie sie. Er streckte die Hand aus, so, als wolle er vorsichtig ihre Wange berühren, aber er tat es nicht und ließ die Hand wieder sinken.
    Sie hatten mit keinem Wort darüber gesprochen, aber er wußte, weshalb sie unerbittlich blieb und bleiben würde, wußte, welchen Schuldspruch sie über ihn gefällt hatte. Sie glaubte ihm nicht, daß er ihren Sohn im Affekt erschossen hatte, in einem Augenblick von Panik und fataler Mißinterpretation der Situation. Sie war überzeugt, daß er eine Rechnung beglichen hatte, Rache genommen hatte für seine Niederlage gegen Fred Corvey, für den düsteren Moment, da Corvey als freier Mann den Gerichtssaal hatte verlassen dürfen. Diesmal hatte er die Justiz ausgetrickst, hatte dafür gesorgt, daß sie nicht zum Zuge kommen würde. Er hatte es Janet gegenüber selbst zugegeben: »Ich wünschte, es hätte sich eine Situation ergeben, die es notwendig gemacht hätte, die Waffe zu ziehen und Corvey für immer unschädlich zu machen.« Sein geheimster Wunsch, und diesmal hatte er den Wunsch befriedigt. Aber er fühlte sich nicht besser danach. Nur leer und allein.
    Sie reichten einander die Hände wie zwei Fremde, dann durchquerte Andrew mit langsamen Schritten den Raum. Nun, das wußte er, war es ein Abschied für immer. Er würde sie nie wiedersehen.

    Er trat durch die Tür und konnte sich nicht enthalten, noch einmal zurückzuschauen. Janet stand gerade auf, setzte ihre Sonnenbrille auf, kramte nach etwas in ihrer Handtasche, nach einem Lippenstift vielleicht oder einem Kamm.
    Sie hatte gefunden, was sie gesucht hatte: Sie zog eine Photographie hervor. Ohne daß er es auf die Entfernung hin erkennen konnte, wußte Andrew, wen sie auf dem Bild betrachtete. Nie würde er das sanfte Lächeln vergessen, mit dem Janet ihre beiden Söhne ansah. Mario und Maximilian. Maximilian und Mario. Vielleicht waren die beiden jetzt zu einem Wesen geworden und hatten ihren Frieden gefunden.
    Leise ging er davon.

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Peter Simon, geschätzt als erfolgreicher Geschäftsmann und geliebt als fürsorglicher Ehemann und Vater, verschwindet spurlos auf einer Reise in der Provence. Als
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