Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Suche

Die Suche

Titel: Die Suche
Autoren: Katja Piel
Vom Netzwerk:
vorüber, und ich musste meine unausgesprochenen Fragen mit mir herumtragen wie ein unsichtbares Gewicht. 
    Andreas' Erscheinung stach aus der Menge der wartenden Menschen hervor. Wir umrundeten die Absperrung und schlenderten hinüber zu ihm. Als Andreas auf uns zuging, lächelte ich ihn freundlich an. Zunächst begrüßte er mich, stellte die allgemeinen Fragen nach dem Flug und wie es mir ging. Schließlich nahm er Sam in den Arm. Während ich darauf wartete, dass sie mit ihrer familiären Begrüßung fertig wurden, blieb mein Blick an einer anderen Person in einiger Entfernung hängen.
   Adam lehnte an einer Säule direkt neben einem "Rauchen-verboten"-Schild und fummelte sich eine Zigarette aus der Packung. Seine Locken hingen ihm kreuz und quer ins schmale Gesicht, er sah aus, als hätte er kaum geschlafen.
   Er steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen. Sein billiges Feuerzeug verweigerte den Dienst, und ich wollte schon hinübergehen und ihm aushelfen, als endlich eine kleine Flamme aufsprang und die Spitze der Zigarette erfasste. Adam sah zu mir hinüber. Die Glut der Zigarette legte einen feinen goldenen Schein in seine Augen. Obwohl er so schmächtig und harmlos aussah, traute ich ihm nicht über den Weg.
   Und doch lag eine Trauer auf ihm. Es war ein Geruch wie von angebranntem Karamell, süß und bitter zugleich, vermischt mit einer Note von Moschus. Und immer noch sah er zu mir hinüber und verzog keine Miene.

3. Kapitel
    In den Wäldern bei Bedburg, Sommer 1590
    « Danach treiben wir dich mit Spieß und Knüppel vom Hof. »
    Äste schlugen ihm ins Gesicht, während er rannte. Er brach durchs Gestrüpp, sprang über umgestürzte Bäume und rutschte in einer kleinen Lawine aus loser Erde einen Abhang hinunter. Weg, weg, weg, trommelte es im Takt seiner Schritte hinter seiner Stirn. Und: Hass, Hass, Hass. Die anfängliche Enttäuschung, der Schock waren längst gewichen.
   Marcus' herablassenden Blick würde er nicht vergessen. Sein Blick, als er Adam seine Entscheidung mitgeteilt hatte: Er, Marcus, würde bei Raffaelus bleiben. Adam musste das Rudel verlassen.
    Seine Lungen schmerzten, die Sicht wurde trüb. Als ihm ein feiner Menschengeruch in die Nase zog, wusste er nicht mehr, in welchem Körper er sich nun befand. Egal. Adam wechselte die Richtung und folgte dem Geruch. Er war ein Monster, verstoßen und verachtet, also wollte er auch wie eines leben.
    Als er schließlich vor dem Haus eines Köhlers ankam, war die Sonne bereits hinter den Bäumen versunken. Gespenstisches Zwielicht lag über den kalten Kohlemeilern. Adam brach in das Haus der Köhler ein wie das Jüngste Gericht, und wie dieses richtete er jeden einzelnen Sterblichen. Und wie sie starben. Die Frau zuerst: Sie war dabei gewesen, einen Teig zu kneten. Mehl fiel von ihren Fingern, als sie schreiend die Arme erhob. Ihre Halsschlagader pochte ihn an, ihr heißes Blut rief ihn. Sie senkte die Hand zum Tisch und tastete nach einem Messer, doch er sprang vor sie auf die Tischplatte und fletschte die Zähne. Ihr Gekreisch füllte seine Ohren. Er hechtete los und riss ihr die Kehle auf, beugte seinen Kopf und ließ ihr warmes Blut in seinen Mund rinnen. Als sie nicht mehr zuckte, nahm er schnuppernd die Fährte des Köhlers auf.
    Der Mann kam ihm hinter dem Haus entgegen, eine Mistgabel vor sich, mit der er in Adams Richtung stocherte. Adam spürte einen Anflug von Erheiterung. Als ob dieses jämmerliche Werkzeug, zusammen mit ein paar wilden Drohungen, ihn bremsen könnte.
   Er senkte den Kopf und fletschte die Zähne. Sein eigenes Knurren drang ihm wie Donnergrollen aus der Kehle. Noch nie hatte er sich so mächtig gefühlt, so strotzend vor Kraft.
   "Jesus, Maria und alle Heiligen! Ausgeburt der Hölle, geh zurück in dein Feuer! Du kannst uns nichts anhaben, wir leben gottgefällig ..."
   Irrtum, dachte Adam, bevor er den Kopf des Köhlers von dessen Schultern riss. Ich kann, und wie ich kann .
   Als matte, rote Fontäne schoss das Blut des Köhlers in den verhangenen Abendhimmel.
   Jesus, Maria und die Heiligen hatten wohl nicht zugehört.
     Erst viel später wandelte er sich zurück, blieb auf dem feuchten Waldboden sitzen, lehnte sich an einen Baum und untersuchte seinen Bauch. Er hatte nicht bemerkt, dass die Zinken der Mistgabel ihn aufgespießt hatten. Zum Glück begannen die Wunden bereits zu heilen.Auf seinem nackten Körper klebte Blut, eine Mischung aus seinem eigenen und dem seiner Opfer. Die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher