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Die Sturmrufer

Die Sturmrufer

Titel: Die Sturmrufer
Autoren: blazon
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Perlentaucher hatten vollkommene Perlen in das Haar geflochten oder trugen mehrfach geschlungene Halsketten. Noch nie hatte Amber so viele kostbare Perlen gesehen. Für jede einzelne davon hätte Sebe gemordet.
    »He, pass doch auf!«, fuhr eine rüde Stimme sie plötzlich an. Ein schlecht gelaunter Navigator schob sich an ihr vorbei und verschwand im Gewühl. Obwohl er sie angepöbelt hatte, konnte Amber nicht anders als lächeln. In diesen Augenblicken, in denen sie zum Teil der Menge wurde und die Blicke der anderen gleichgültig über ihre dantarianische Kleidung hinwegglitten, fühlte sie sich zum ersten Mal als Teil der Stadt. Die jähzornige, harte Amber mit den zahllosen blauen Flecken am Körper fiel von ihr ab wie ein knisternder alter Kokon und Amber, die stolze Dantarianerin mit dem kühlen Kopf, trat hervor. Sie sog den Geruch von salzgetränktem Stein und Tang ein und war zum ersten Mal glücklich. Erst als Inu sich zu ihr umdrehte, fiel ihr wieder ein, dass sie nicht zum Staunen hier war. »Ich muss noch jemanden in der Halle suchen«, sagte Inu. »Bleib einfach in der Nähe der Tür. Ich hole dich wieder ab!«
    Schon war er in der Menge verschwunden. Amber blieb zurück. Nicht weit von ihr stand eine Gruppe von Fischern. Sie diskutierten nicht wie die anderen, sondern lauschten mit großer Konzentration der Stimme einer Rednerin, um die sie sich geschart hatten. Amber reckte den Hals und entdeckte eine Frau mit schrägen Augen und einem stolzen Kinn. Ihr hüftlanges dunkles Haar war straff aus der Stirn gekämmt und zu einem Zopf gebunden. Sie war ebenso hochgewachsen wie Amber und etwa zehn Sommer älter als sie. Selbst Leute, die bereits graues Haar hatten, lauschten ihren Worten voller Respekt. Sie musste bestimmt eine Würdenträgerin sein. Vielleicht gehörte sie zum Gefolge des Fischerkönigs? Verstohlen schob sich Amber näher an die Gruppe heran.
    »Du, Fen, und du, ihr geht zum kleinen Hafen. Die Hamadur ist an den Katzenfelsen zerschellt und über Heck gesunken. Die Erkundungstaucher haben gesagt, ein Teil der Ladung sei von der Unterströmung bis zur Ostseite des kleinen Hafens gezogen worden. Dürfte nicht schwer sein, sie zu bergen.« Einige Leute nickten und lösten sich aus der Runde. Die Menge rückte auf und schloss die Lücken. »Gut, und nun zur Kallanera.«
    Ein Murmeln erhob sich und verstummte sofort wieder. Amber sah skeptische Gesichter. »Wie ihr alle wisst, wurde sie mitsamt ihrer Ladung vom Sog aus dem Hafen gezogen. Die Mannschaft konnte sich rechtzeitig von Bord retten, es geht also nur um die Ladung. Ich zahle dreißig Dantare für die Bergung des Schmucks, jeweils zehn weitere für die Korallenladung, die getrockneten Echsenhäute und die Steine von den Feuerinseln.«
    Niemand meldete sich. Die Frau kniff die Augen zusammen und blickte in die Runde. »Was ist los? Keine guten Taucher hier?«
    Eine ältere Navigatorin räusperte sich. »Stimmt es, dass die Kallanera ostwärts hinter den Sandbänken liegt?«
    Die Frau verschränkte die Arme. »Sie ist zu den Sandbänken hinausgetrieben worden, ja«, bestätigte sie ruhig. »Zumindest wurde sie heute Morgen noch schwimmend dort gesichtet, aber sie hat Schlagseite, vermutlich ist sie bereits gesunken. Vor der Sandbank. Oder dahinter. Das müsst ihr herausfinden. Ich habe nie behauptet, dass der Auftrag ein Spiel mit Köderfischchen ist.« Sie machte eine kunstvolle Pause, bevor sie wiederholte: »Also: dreißig Dantare für die Hauptladung. Plus zehn für jede weitere Kiste.«
    Amber zog die Augenbrauen hoch. Dreißig Dantare! Für zwei bekam man in den Bergen eine Kuh. Eine fette Kuh. Oder fünfzehn Ziegen. Sie konnte regelrecht sehen, wie es hinter mancher Stirn zu arbeiten begann. Doch immer noch konnte sich niemand entschließen.
    »Was ist?« Die Frau wurde ungeduldig. »Wer meldet sich?«
    »Ich hole dir die Ladung aus der Kallanera, Sumal!«
    Amber zuckte zusammen. Hatte sie sich verhört? Diese herrische Frau da vorne war Sumal? Vor Aufregung begannen ihre Hände zu zittern. Sie hatte erwartet eine grauhaarige, erfahrene Kapitänin zu treffen, aber diese Frau mit dem Goldschmuck passte überhaupt nicht in ihr Bild.
    Sumals Ohrringe klimperten, als sie den Kopf wandte und den Blick über die Menge schweifen ließ. Sie hatte honigfarbene Augen, die ebenso golden wirkten wie ihre Haut. Amber hätte alles dafür getan, jetzt ebenfalls die Hand heben zu können. Sie musste Inu finden und ihm sagen, dass die Kapitänin
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