Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Schakals (German Edition)

Die Stunde des Schakals (German Edition)

Titel: Die Stunde des Schakals (German Edition)
Autoren: Bernhard Jaumann
Vom Netzwerk:
klingelte noch einmal.
    Endlich machte ein Uniformierter auf. Clemencia wies sich aus und ließ sich in den Wohnraum führen, der mindestens doppelt so groß war wie das ganze Haus ihrer Familie. Obwohl Fenster und Terrassentür bis auf die Fliegengitter offen standen, herrschte eine Temperatur, als wäre die Sonne hier drinnen untergegangen. Trotz der Hitze hatte sich ein Mädchen mit angezogenen Knien ins Sofa vergraben. Es umklammerte ein Lederkissen und kicherte leise vor sich hin. Oder war das ein hilfloses Wimmern?
    «Der Arzt hat ihr eine Beruhigungsspritze gegeben», flüsterte der Uniformierte Clemencia zu, «aber sie beruhigt sich nicht. Antwortet auf keine Frage und kreischt los, wenn man sie berührt. Selbst die eigene Mutter kommt nicht an sie heran.»
    Um den Esstisch saßen ein Mann und vier Frauen. Alles Weiße. Es war nicht zu verkennen, wer die Mutter war. Sie war blass, ihre Gesichtszüge wirkten versteinert. Ihre Augen starrten auf den Aschenbecher vor ihr. Nur wenn sie die Zigarette zu den Lippen führte und gierig sog, merkte man, dass ihre Hände zitterten. Als sich Clemencia vorstellte, sah die Frau kaum auf.
    « Sie leiten die Ermittlungen?», fragte der Mann neben ihr auf Afrikaans und maß Clemencia vom Scheitel bis zur Sohle.
    «Schön, dass Sie auch schon da sind – dreieinhalb Stunden nach der Tat», sagte eine der Freundinnen bitter.
    Clemencia bat darum, den Tathergang kurz zu schildern.
    «Hören Sie, Mevrou van Zyl hat nichts gesehen», sagte der Mann. «Und Sie werden ihr jetzt nicht wieder genau dieselben fokken Fragen stellen, die sie den Streifenpolizisten schon stundenlang beantwortet hat.»
    Clemencia sah zu, wie Frau van Zyl die Zigarette mit fahrigen Handbewegungen ausdrückte und sich sofort eine neue ansteckte. Es war nicht Clemencias Schuld, dass sie so spät eingetroffen war. Sie verstand ja, dass die Situation für die Hinterbliebenen nicht leicht war, aber konnte man nicht trotzdem ein wenig Kooperation erwarten? Clemencia fragte den Streifenpolizisten nach dem Fundort der Leiche. Er führte sie auf die Terrasse, wo zwei seiner Kollegen warteten und so taten, als ob sie Wache hielten. Als sie außer Hörweite waren, stellte sie ihre Kollegen zur Rede. Warum war sie nicht früher benachrichtigt worden? Doch die drei zuckten nur mit den Schultern.
    «Dahinten!» Der Polizist wies ins Dunkel des Gartens. Clemencia stapfte auf ein paar halbhohe Bäume zu. Einer der Polizisten, die ihr folgten, knipste eine Taschenlampe an. Über den Rasen wand sich ein Gartenschlauch. Der große dunkle Fleck, der im Lichtkegel erkennbar wurde, mochte geronnenes Blut sein. Irgendwelche Tatortmarkierungen waren nicht zu sehen. Geschweige denn eine Leiche.
    «Man kann einen Toten doch nicht stundenlang herumliegen lassen», sagte der Streifenbeamte entschuldigend.
    «Nein?», fragte Clemencia.
    «Das bringt Unglück», sagte der Uniformierte.
    «Weil dann irgendwelche Geister herumspuken?», fragte Clemencia. Der Polizist kniff die Lippen aufeinander.
    Ja, wenn es Unglück brachte, musste man natürlich darauf verzichten, einen Tatort ordentlich zu sichern. Da war es wohl besser, einen Leichenwagen kommen zu lassen und das Mordopfer abzutransportieren, bevor die zuständige Inspectorin auch nur informiert wurde.
    «Der Täter hat von da oben geschossen.» Der Polizist leuchtete über die Gartenmauer den Abhang hinauf. Der Schein der Taschenlampe verlor sich in grauem Gestrüpp.
    «Wahrscheinlich mit einer automatischen Waffe», sagte ein anderer der Uniformierten. Er kramte aus seiner Hosentasche eine Plastiktüte voller Patronenhülsen hervor. Wenigstens hatte er sie nicht lose eingesteckt, doch wie er sie aufgesammelt hatte, wollte Clemencia lieber nicht wissen. Sie fragte, ob es Tatzeugen gebe.
    «Die Tochter war anwesend, aber die spricht nicht», sagte einer der Polizisten.
    «Die Befragung der Nachbarn wollten wir Ihnen überlassen», sagte sein Kollege.
    Soweit man das erkennen konnte, waren die Nachbarhäuser dunkel. Die Weißen gingen früh zu Bett. Sie hatten ja auch einen Grund, früh aufzustehen. In ihrem Viertel, der Township Katutura, waren geschätzte fünfzig Prozent der Leute arbeitslos. So genau wusste das niemand.
    Clemencia maß mit den Augen die Höhe der Gartenmauer ab. Etwa zweieinhalb Meter. Im Schein der Taschenlampe sah sie die Elektrodrähte, die über dem Mauerkranz entlangliefen. Sie hatten den Mann genauso wenig schützen können wie die Alarmanlage.
    Es war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher