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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde
Autoren: Catherine Coulter
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    »Das reimt sich ja vom und hinten nicht, du witzloser Schuft! Geh mir aus den Augen!«
    »Mein lieber Lord von St. Erth,
    Ihr braucht nicht mehr mit Löchern im Gewand Als Bettler rumzugeistern.
    Drei Wagen kommen voll mit Wolle Und nur drei Kriegern als Begleitern.«
    Dienwald sprang auf und ging auf Crooky zu. »Hör mit deinem unsinnigen Gewäsch auf und sage mir, was mit der Wolle ist!«
    Crooky fing eine neue Pantomime an. Jetzt fuhr er einen Wagen, schaute über die Schulter und verzerrte dann das Gesicht, als wäre er zu Tode erschreckt. Dienwald trat ihm in die Rippen. »Hör endlich auf damit! Du treibst es ja noch dümmer als meine blöden Schafe!«
    Der Schmerz in den Rippen belehrte Crooky, daß sein Herr nicht zu Späßen aufgelegt war. Rasch wälzte er sich auf die Knie und berichtete Dienwald, was er gehört hatte.
    Dienwald rieb sich das Kinn. Dann setzte er sich auf seinen Herrensessel und streckte die Beine aus. Seine Hose hatte am Fußgelenk ein Loch. Es kamen also drei Wagen von Beauchamp her, beladen mit Wolle. Schon lange hatte er mit dem vollgefressenen Lord Henry anzubändeln gewünscht. Aber der war ein mächtiger Herr und hatte viele Bewaffnete in seinem Dienst. Aus dem Augenwinkel sah Dienwald seinen Sohn Edmund in den großen Saal stürzen. Sein kurzer Waffenrock war vielfach geflickt, abgetragen und bemerkenswert schmutzig. Die Hosenbeine hatten sich schon längst selbständig gemacht. Der Junge sah wie ein Leibeigener aus.
    Edmund, den seine abgerissene Kleidung wenig kümmerte, sah von seinem Vater auf Crooky. Der blinzelte und winkte ihm zu. »Ist's wahr, Vater! Wir brauchen uns die Wolle nur zu holen?«
    Dienwald rief nach seinem Waffenmeister Eldwin. Der erschien umgehend. Er mußte alles mitangehört haben. »Wir nehmen acht Männer - die am wildesten aussehen -, dann werden die Wagen bald in unserem Besitz sein. Vergiß nicht Gorkel den Schrecklichen! Ein Blick auf ihn, und die Wagenfahrer fallen vor Schreck in Ohnmacht. Und sag diesem Tunichtgut, diesem Hund Prink und der alten Agnes, daß wir bald für jeden arbeitsfähigen Bediensteten auf der Burg alle Hände voll zu tun haben!«
    »Kann ich mitkommen, Papa?«
    Dienwald schüttelte den Kopf und schlug dem Jungen auf die Schulter, der unter dieser freundlich gemeinten Geste beinahe zu Boden gegangen wäre. »Nein, Edmund, du wirst in meiner Abwesenheit die Burg bewachen!«
    Der Gestank war abscheulich. Am Abend des ersten Tages, als die Männer mit den Wagen an einem Bach in der Nähe von St. Hilary ihr Lager aufschlugen, war Philippa sehr nahe daran, ihr Versteck aufzugeben und um Gnade, ein Bad und ein paar Stücke von dem Kaninchenbraten, den sie von fern roch, zu betteln. Aber sie hielt durch.
    Morgen am späten Vormittag würden sie auf dem Markt ankommen. Der Gestank des an ihrer Haut und an den Kleidern getrockneten Schlamms aus dem Burggraben vermischte sich mit dem Gestank der Rohwolle. Es wurde immer unerträglicher. Philippa war es gelungen, sich durch die dicken Wollballen ein kleines Luftloch zu bohren. Sie wagte es aber nicht, das Loch größer zu machen. Wenn einer der Männer etwas merkte, wäre alles vorbei. Sie würden sie zwar baden lassen und ihr auch bestimmt etwas zu essen geben. Aber danach würden sie sie nach Beauchamp zurückbringen. Sie waren Lord Henry treu, denn allein von ihm hing ja ihr Leben ab.
    Sie stellte sich ihren Vetter Sir Walter de Grasse vor, wie er die lange Nase rümpfen würde, wenn sie plötzlich auf Crandall wie die Hexe aus einem Alptraum im Burgotha-Sumpf auftauchte. Aber er konnte sie nicht abweisen. Er würde es auch sicherlich nicht tun. Hoffentlich kam sie auf dem Weg nach Crandall an einem Bach vorbei.
    Um den Zustand noch schlimmer zu machen, war es ein warmer Tag gewesen, und dummerweise kühlte es auch in der Nacht kaum ab. Mit ihrem Platz mitten in der kratzigen dicken Wolle verglichen, kam ihr die Hölle, wie Lord Henrys Priester sie gern beschrieb, eher wie ein lauschiger Ort an einem kühlen Sommernachmittag vor.
    Philippa konnte gar nicht überall hinreichen, wo es sie juckte. Von Minute zu Minute nahm ihre Verzweiflung zu. Hatte sie denn unbedingt in den Burggraben springen müssen? Hätte sie nicht auch trockenen Fußes in den Wald gelangen können? »Philippa, du denkst nicht mit dem Kopf, sondern mit den Beinen!« hatte ihr Lord Henry oft gesagt, wenn er sie auf der Suche nach irgendeinem Gegenstand hin und her springen sah. So war es auch diesmal
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