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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde
Autoren: Catherine Coulter
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aber my Lord ...«
    Lord Henry betrachtete den jungen Mann. Ivo war wirklich frech, aber andererseits hatte er, Lord Henry, dummerweise den Namen de Bridgport genannt, weil ihm im Moment kein anderer eingefallen war. Und da Maude es sofort bestätigt hatte, blieb ihm gar nichts anderes übrig, als weiter mitzuspielen. Er konnte nicht mehr zurück.
    »Warum, my Lord?«
    Lord Henry seufzte nur. An seiner Stelle sprach wieder Maude. »Philippa hat keine Ansprüche an Lord Henry zu stellen. Deshalb erhält sie auch keine Mitgift. Sie ist für uns nur eine Last, ein ständiger Ärger. Entscheidet Euch nun, Ivo, und zwar schnell! Denn meine Geduld ist angesichts Eurer Unverschämtheit bald erschöpft.«
    »Wollt Ihr Bernice nehmen?« fragte Lord Henry. »Das liebe Kind hat mir gesagt, daß sie Euch und keinen anderen haben will.«
    Gern hätte Ivo ihm entgegnet, daß er Philippa auch ohne Mitgift, ja, nicht einmal mit einem Hemd auf dem Leib nehmen würde. Aber so dumm war er denn doch nicht. Er kannte seine Pflichten als ältester Sohn seines Vaters. Die Besitzungen der de Vescys in der Nähe von York warfen zur Zeit nur Verluste ab, weil sie in den vergangenen Jahren eine Mißernte nach der anderen gehabt hatten. Er mußte eine reiche Erbin heiraten. Das gebot ihm die Pflicht. Und wirklich war ja Philippa auch zu groß, zu stark und zu eigensinnig - bei allen Heiligen, sie konnte sogar lesen, schreiben und rechnen wie ein verfluchter Priester oder ein Verwalter. Und doch strahlte ihr volles dunkelblondes Haar, das sich in wilden Locken um ihren Kopf ringelte. Und sie hatte die herrlichsten blauen Augen, ihr Lachen war hell und mitreißend, und ihre Brüste waren wunderbar voll und rund und ... Ivo räusperte sich und sagte: »Ich nehme Bernice, my Lord.«
    Maude trat auf ihn zu und lächelte sogar. Sie faßte ihn am Ärmel seines Waffenrocks. »Das nenne ich richtig und anständig gehandelt«, sagte sie. »Ihr werdet Eure Wahl nie bereuen.«
    Philippa kam sich vor wie Lots Weib, zur Salzsäule erstarrt. Auch als ihr Vater zur Tür zeigte, konnte sie sich nicht rühren. Von einem Augenblick zum anderen hatte sich ihr ganzes Leben verändert. Sie verstand nicht, warum ihre Eltern sich plötzlich beide gegen sie gestellt hatten. Bisher war sie sich der Liebe ihres Vaters immer sicher gewesen. Nun wohl, sie hatte für ihn wie ein Pferd schuften müssen, aber ihre Aufgaben als Verwalterin Beauchamps hatten ihr auch immer Freude gemacht. Sie genoß es, die Hauptbücher zu führen, mit den Kaufleuten von Beauchamp zu verhandeln und Streitigkeiten unter den Bauern zu schlichten.
    Was ihre Mutter anging, so hatte sie schon vor Jahren begriffen, daß es besser war, ihr aus dem Weg zu gehen. Sie hatte ihr eingebleut, nie »Mutter« zu ihr zu sagen. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte sie nie das geringste Anzeichen von Zuneigung von der dünnlippigen Dame erhalten, und einmal hatte Lady Maude ihr so heftig ins Gesicht geschlagen, daß ihr noch drei Tage lang die Ohren klangen. Ihr Vater hatte nichts unternommen. Er hatte für keine Partei ergriffen, sondern sie nur mit einer müden Handbewegung weggeschickt und gemurmelt, er habe zu viel zu tun, um sich um solche weiblichen Torheiten zu kümmern. Erst jetzt fiel es ihr wieder ein, daß ihr Vater sie nicht verteidigt hatte.
    Und nun wollten sie sie mit William de Bridgport verheiraten! Nicht einmal eine Mitgift wollten sie ihr geben. Philippa konnte das alles nicht verstehen. Eben war sie noch die wenigstens von ihrem Vater geliebte jüngere Tochter gewesen, jetzt war sie eine verstoßene Tochter, die niemand liebte, die nur die Sachen besaß, die sie auf dem Leibe trug und sonst nichts ... Was hatte sie denn verbrochen? Wodurch hatte sie sie so schwer verletzt?
    Selbst als Ivo sich mit verschlossenem Gesicht umdrehte, konnte sie sich nicht von der Stelle rühren. Erst als er ihr so nahe gekommen war, so daß er sie im nächsten Moment erblicken würde, drehte sie sich um und rannte weg. Doch die Schuhspitzen waren nach der letzten Mode an Königin Eleanors Hof lang und spitz und eigneten sich nicht für schnelles Laufen. Zweimal stolperte sie darüber, ehe sie ihr abgeschiedenes Zimmer erreichte. Sie schob den Riegel vor die schwere Eichentür und Lehnte sich schweratmend dagegen.
    Sie hatten also vor, sie zu bestrafen. Sie wollten sie mit diesem gottlosen alten Mann de Bridgport verheiraten. Warum? Sie konnte es sich nicht erklären. Vielleicht sollte sie einfach zu ihrem Vater
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