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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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Blick zu, und Shallow-Bargepole musterte betont gleichgültig seine Fingernägel, aber die Baronin stieß nur ein kurzes, papiernes Lachen aus. »Oscar Wilde. Sie vergessen, mein Lieber, dass ich vor ein paar Monaten wieder einmal die Gelegenheit hatte, meinen hundertsten Geburtstag zu feiern. Als junges Mädchen in London war ich mit der Familie befreundet.«
    Algernons Lächeln blieb unverändert. »Freundschaften pflegen zu können erscheint mir als die nobelste Tugend.«
    »Es waren sehr gewöhnliche Leute, allesamt. In meinem Alter ist es eher von Vorteil, Feindschaften zu pflegen. Es geht nichts über die Genugtuung, die Todesanzeige einer alten Feindin zu lesen und zu wissen, dass man das letzte Wort behalten hat. Und nun reichen Sie mir das Salz.«
    »Das ist das Mindeste«, spöttelte Shallow-Bargepole, »da er Ihnen schon nicht das Wasser reichen kann ...«
    Algernon drehte sich zu ihm um, eine schlagfertige Antwort auf den Lippen. Dabei entglitt ihm der Salzstreuer, rutschte über den Tisch und traf den Hund. Der sprang mit einem schrillen Laut vom Schoß der Gesellschafterin, die von der plötzlichen Reaktion des Tieres viel zu überrascht war, um es halten zu können, und rannte mit eingekniffenem Schwanz durch die offengebliebene Tür.
    »Schauen Sie nur, was Sie angerichtet haben!«, kreischte die Baronin in einem Ton, nicht unähnlich dem Schreckensschrei ihres Hundes. »Precious, komm zurück! Precious, zu Frauchen! Mabel, Sie nutzloses Ding, nun laufen Sie schon hinter ihm her und bringen Sie ihn zurück!«
    Mabel sprang auf und wandte sich kopflos zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Ritterlich eilte Algernon an ihre Seite.
    »Lassen Sie nur, es ist ja meine Schuld, dass der Hund in Panik geraten ist. Ich werde ihn suchen. Bleiben Sie hier und kümmern Sie sich um die Baronin.«
    Sie nickte erleichtert und kehrte zu ihrem Platz zurück.
     
    Algernon stürmte aus der Tür, sah einen kleinen Schatten um die Ecke verschwinden und setzte ihm nach, auf den Hauptgang zu den Kajüten. Suchend blickte er sich um. Erneut schien etwas Kleines hinter einer Biegung zu verschwinden. Er hetzte hinterher, in einen Nebengang hinein, konnte von dem Hund aber nichts entdecken. Die Wege verzweigten sich, er eilte zuerst den einen, dann den anderen entlang, folgte diesem bis zum Ende und fand sich schließlich in einem spärlich erleuchteten weiteren Gang wieder.
     
    »Precious?«, rief er versuchsweise.
    Von weither glaubte er ein Kläffen zu hören, das sich in der Ferne verlor. Er lief dem Geräusch nach, bis der Gang unvermittelt an einer steilen Treppe endete.
    »Precious? Komm zurück!«
    Noch während ihm klar wurde, dass der Hund unmöglich die schmalen Stufen überwunden haben konnte, klang es erneut in seinen Ohren. War das Tier vielleicht in seiner Panik gestürzt und lag dort unten?
    Behutsam kletterte Algernon rückwärts hinunter, tastete mit den Füßen nach dem kleinen Körper. Als unter seinem Tritt etwas Weiches aufquietschte, riss er das Bein hoch, strauchelte fast, klammerte sich an das Geländer. Zischelnd, schnatternd huschte es davon. Eine Ratte.
    Algernon schluchzte auf, er wusste selbst nicht, ob vor Erleichterung oder Enttäuschung.
    »Precious, bist du hier unten?«
    Der Gang, in den er nun geriet, war enger und dunkler als der erste. Er zog den Kopf ein und horchte.
    Das Geräusch hatte sich vervielfältigt. Aus mehreren Richtungen zugleich quiekte, schabte, kläffte es. Verwirrt drehte er sich im Kreis.
    »Precious, möchtest du einen Knochen? Ich will nicht geizig sein, ich serviere dir die ganze Baronin, wenn du brav herkommst.«
    Der Weg teilte sich wieder. Nach kurzem Zögern wählte Algernon den linken Gang. Gab es nicht einen Merksatz, mit dem man aus jedem Labyrinth wieder herausfand? Wenn man in einer festen Reihenfolge nach rechts und links abbog, konnte man nicht verloren gehen. Sollte er die schmalen Durchgänge mitzählen? Ein weiteres Mal stand er vor Stufen. Hinauf oder hinunter? Er hätte eine Münze geworfen, hätte er nicht befürchtet, dass er sie auf dem dunklen Boden niemals wiederfinden würde.
    »Hinunter!«, entschied er. »Wenn der Hund nicht auf magische Weise Flügel bekommen hat, ist es wahrscheinlicher, dass er auf dem Weg in die Tiefe ist.«
    Wieder kletterte er rückwärts die steile Stiege hinab, gab zischende Geräusche von sich, um Ratten zu vertreiben, rief und lockte, um den Hund zu einer Antwort zu bewegen, lief erneut einen niedrigen Gang
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