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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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sollte.
    »Niemals wurde sie anmutiger verkörpert«, erwiderte Algernon ohne zu zögern, obwohl er sicher war, sie nie auf der Bühne gesehen zu haben.
    »Reizend von Ihnen, dass Sie sich noch so genau entsinnen können. Mein Kleid war ... Wissen Sie noch, welche Farbe es hatte?«
    »Es passte genau zu Ihren Augen«, entgegnete er.
    Shallow-Bargepole, der ihnen gegenüber saß, hatte seinen Trick durchschaut und lachte garstig.
    Verbittert griff Cora van Guellen nach ihrem Glas und leerte es in einem Zug.
    »Cora, mein Liebling ...«, drängte ihr Gatte.
    Sie machte eine großartige Geste mit dem Arm, und es gelang Algernon mit knapper Not, sein Gedeck in Sicherheit zu schieben. Das Porzellan schepperte.
    »Ich ... bin ... leer!«, begann sie mit Grabesstimme.
    Bert van Guellen legte die Hand über die Augen, als habe er diesen Monolog schon einmal zu oft vernommen.
    »Ich bin nur mehr ein hohles Gefäß! Man hat mir mein Publikum genommen, ich bin zur Sprachlosigkeit verurteilt. Ein Vogel in einem goldenen Käfig hat es besser als ich, denn er darf doch immerhin noch singen, und man hört ihm zu. Aber schauen Sie mich an! Ohne die Bühne bin ich ein Nichts! Verstummt, verloren, verstümmelt. Ein Schatten, das ist es, was ich bin.«
    »Um Himmels willen, hören Sie auf zu prahlen!«, fuhr die Baronin dazwischen. »Auf der Bühne haben Sie nicht getaugt, und hier taugen Sie noch viel weniger. Nehmen Sie eine Valium und legen Sie sich hin, dann richten Sie zumindest kein Unheil an.«
     
    Mit einem Aufschrei sprang Cora van Guellen auf die Füße.
    »Cora, mein Liebling ...«, flehte der Bankier, aber da stand sie schon wie eine flammende Anklage vor der Baronin, den Zeigefinger ausgestreckt.
    »Was ... wissen ... Sie ...«
    »Schluss damit!«, fauchte die Greisin. »Ich hatte zwar nicht das zweifelhafte Vergnügen, Sie auf der Bühne agieren zu sehen, aber ich erkenne eine drittklassige Mimin, wenn sie vor mir steht. Seien Sie froh, dass Sie im gemachten Nest sitzen und halten Sie Ruhe!«
    Der Hund, der ihre Erregung spürte, stellte die Ohren auf und kläffte. Sie warf ihn ihrer Gesellschafterin zu, die sich bemühte, die kleine Schnauze zuzuhalten und gleichzeitig den um sich schlagenden Pfoten auszuweichen.
    Cora stand wie erstarrt. Eine schwächere Frau, dachte Algernon, wäre an ihrer Stelle schluchzend zusammengebrochen. Aber Cora war nicht schwach. Erst jetzt, vollkommen isoliert und in die Enge getrieben, entfaltete sie ihre eigentliche Stärke.
    »Im gemachten Nest«, begann sie leise, aber mit klangvoller Stimme, »da sitzen auch Sie. Sie haben Ihr Leben lang nichts weiter getan als sich systematisch hochzuheiraten, von der unbedeutenden kleinen Modistin zur Baronin. Ich habe immerhin auf der Bühne gestanden, ich habe selbst etwas dargestellt, wenn auch nur für eine Saison. Also wagen Sie es nicht, auf mich herabzusehen. Nicht auf mich, und nicht auf meinen Mann!«
    Sie warf den Kopf zurück und marschierte, wenn auch schwankend, durch die Tür. Ihr Mann sprang auf und eilte hinter ihr her.
    »Cora!«, hörten sie ihn durch den Gang rufen.
     
    Shallow-Bargepole applaudierte. «Was für ein Abgang! Möchte vielleicht noch einer der Herrschaften vor dem Hauptgang das Weite suchen? In diesem Fall würde die dürre Ente nämlich für die Verbleibenden ausreichen.«
    »Bedienen Sie sich ruhig«, sagte die Gesellschafterin. »Ich hatte ohnehin vor, nur von dem Gemüse zu nehmen.«
    »Kein Wunder, dass Sie so saftlos sind, Mabel, bei dieser Ernährung!«, schnappte die Baronin und zog sich die Ente heran. »Mister Holland, nicht wahr? Sie sind doch hoffentlich keiner dieser schmierigen Klatschreporter, die ihren einzigen Lebenszweck darin sehen, auf der Vergangenheit anderer Leute herumzureiten ... ihre Herkunft auszuposaunen, ihre Wurzeln aufzudecken, oder wie man so etwas in Ihren Kreisen nennt.«
    Sie sprach so schroff, dass der Hund erneut zu kläffen begann, aber Algernon hörte die unterschwellige Panik in ihrer Stimme.
    »Mir ist eher daran gelegen«, begann er vorsichtig, »in der Gegenwart Freundschaft zu halten.«
    Die Baronin begann auf die Entenbrust einzuhacken, als duelliere sie sich mit einem Kontrahenten. »Und was verstehen Sie unter Freundschaft?«
    Algernon erblickte die Gelegenheit, einen seiner Hollandismen unterzubringen. »Ach, wissen Sie ... eine Freundschaft unter Literaten hält meist nur so lange, wie das Mischen des Schierlingsbechers dauert.«
    Mabel warf ihm einen bewundernden
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