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Die Spur des Drachen

Titel: Die Spur des Drachen
Autoren: Jon Land
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schmuckvollen Pistolengurt befanden, der für zeremonielle Anlässe gefertigt war.
    Wie eine Welle brandeten die Rebellen den Hügel hinauf. Ihre erhobenen Macheten flirrten im Sonnenlicht. Verdoon war noch damit beschäftigt, den letzten Abgeordneten den Hügel hinunter zu bugsieren, als eine Gruppe Rebellen mit blutige Klingen auf ihn losstürmte. Verdoon sank auf die Knie und hob instinktiv die Arme, um seinen Kopf zu schützen.
    Dann spürte er einen stechenden Schmerz am Arm, als würde Eis unter seine Haut fahren. Er blickte an sich hinunter und sah seinen rechten Arm im Schlamm liegen. In grellem Entsetzen schrie er auf und wandte den Blick der großen, schlanken Gestalt einer Frau zu, die plötzlich vor ihm stand, eine Machete in der Hand, von der frisches Blut tropfte.
    »Der Drache«, stammelte Verdoon, während die Klinge gehoben wurden und auf ihn hinunterzischte. »Ich spucke auf …«
    Ein Blitz explodierte vor Verdoons Augen, noch ehe er den Satz beenden konnte. Er versank in einem Meer aus Rot, das die Welt verschluckte.

 
ERSTER TAG
HEUTE
1.
    Der alte Lastwagen rumpelte die Straße entlang auf das offene Lagerhaus zu. Ein bärtiger Palästinenser erhob sich von einem Stuhl, der in einer angrenzenden Gasse im Schatten stand, und trat an den Bordstein. Er beobachtete, wie die abgefahrenen Reifen des Lastwagens auf der Schotterstraße knirschend zum Stehen kamen. Keiner der Einwohner von Beit Jala in der West Bank konnte sich erinnern, wann die Straßen das letzte Mal gereinigt worden waren – auf jeden Fall nicht mehr, seit israelische Panzer sie nach einer paradeähnlichen Zurschaustellung der Macht Monate zuvor aufgerissen hatten. Der Lastwagen stand mit der Beifahrerseite neben dem Lagerhaus. Ein stämmiger Mann mit dicken, haarigen Unterarmen lehnte sich aus dem Fenster.
    »Wassili Anatoljewitsch, zu Ihrer Verfügung, Genosse.«
    Anatoljewitsch streckte eine Hand aus und packte die des Palästinensers mit so kraftvollem Griff, dass es sein Alter Lügen strafte. Er war zwischen sechzig und siebzig, hatte dichtes, straff zurückgekämmtes, silbergraues Haar und leuchtend blaue Augen. Sein Gesicht war glatt und ohne Falten, bis auf die spinnwebartig verästelten lila Adern, die sich über Nase und den Wangen ausbreiteten.
    »Gab es Probleme am Checkpoint?«, fragte der hoch gewachsene, drahtige Palästinenser, an Anatoljewitsch gewandt. Er hatte kein Gramm Fett zu viel am Körper.
    »Habe ich Ihnen doch gesagt, Genosse«, erwiderte Anatoljewitsch augenzwinkernd. »Wir haben einen Spitzenpreis für diese Papiere bezahlt. Das ist einer der Vorteile, wenn man Israeli ist«, fügte er mit seinem ausgeprägten russischen Akzent hinzu. »Die Beamten am Checkpoint glauben, wir transportieren Vorräte für Gilo.« Er bezog sich auf eine nahe gelegene jüdische Siedlung in der West Bank, die von Jerusalem annektiert worden war. »Ihr Name, Genosse? Ich glaube nicht, dass ich ihn …«
    »Abu.«
    »Das ist alles?«
    »Das reicht.«
    Wieder lächelte Anatoljewitsch, diesmal ein wenig gezwungen. »Solange die Bezahlung reicht, die Sie mitgebracht haben – was, Genosse?«
    »Sobald ich die Ware überprüft habe.« Der Palästinenser, der sich selbst Abu nannte, strich sich mit der Hand durch seinen dichten Bart. »Drinnen.«
    Mit diesem Wort deutete er auf die Vorderseite des Lagerhauses, wo zwei weitere Palästinenser in dünnen Jacken ein großes Tor geöffnet hatten.
    Anatoljewitsch blinzelte in das dunkle Innere und nickte. »Was immer Sie sagen, Genosse. Aber wir müssen uns beeilen. Ich habe noch eine Verabredung, zu der ich nicht zu spät kommen darf.«
    »Die Geschäfte scheinen gut zu laufen.«
    Anatoljewitsch lächelte. »Besser als je zuvor.«
    Der Fahrer des Russen setzte den alten Laster rückwärts ins Lagerhaus. Der Mann, der sich Abu nannte, ging die ganze Zeit neben dem Fenster auf der Beifahrerseite her, als wollte er den Wagen führen. Seine zwei Mitstreiter schlossen das Tor des Lagerhauses hinter dem Lastwagen und sperrten das Licht aus dem großen Raum. Ein paar alte Lampen baumelten von der Decke; an den Wänden flackerten schmutzige Neonröhren. Sonnenlicht fiel in Streifen durch die wenigen Fenster und die bröckelnde Decke, die verirrte, aus Kampfhubschraubern abgeschossene Granaten vor Monaten durchlöchert hatten. Die Straßen waren unter Beschuss genommen worden, nachdem das Feuer aus palästinensischen Maschinengewehren mehrere Fenster im nahen Gilo hatten zersplittern
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