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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse
Autoren: Ken Follett
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Bekannten behaupteten, daß sie sowieso nichts taugte. Wahrscheinlich hatten sie recht. Vielleicht war es ein Fehler, davon auszugehen, daß Argumente gezählt werden konnten wie Bank noten. Seltsamerweise fiel Tim das Thema einer Philosophievorlesung ein: »Die Irreführung des menschlichen Verstandes durch sprachliche Mittel«. Was ist länger: ein Flugzeug oder ein Einakter? Was ist mir lieber: Zufriedenheit oder Vergnügen?
    Bald schwirrte Tim der Kopf. Er stieß ein lautes, zorniges Schnauben aus; dann warf er einen hastigen Blick aufs Bett, um festzustellen, ob er das Mädchen geweckt hatte. Sie schlief noch. Gut.
    Draußen auf der Straße, knapp hundert Meter entfernt, hielt ein grauer Rolls-Royce am Bordstein. Niemand stieg aus. Tim schaute sich die Sache genauer an und sah, wie der Fahrer eine Zeitung aufschlug. War der Mann ein Chauffeur, der jemanden abholen sollte? Jetzt, um halb sieben in der Frühe? Oder war er ein Geschäftsmann, der die Nacht durchgefahren und zu früh ans Ziel gelangt war? Tim konnte das Nummernschild nicht lesen, aber er konnte erkennen, daß der Fahrer ein großer Mann war, groß genug, um das Innere des Rolls-Royce so winzig wie das eines Mini-Cooper erscheinen zu lassen.
    Tim wandte sich wieder seinem Dilemma zu. Wie machen wir es in der Politik, fragte er sich, wenn wir uns mit zwei machtvollen, aber gegensätzlichen Forderungen konfrontiert sehen? Die Antwort kam sofort: Wir überlegen uns eine Vorgehensweise, die beide Forderungen erfüllen kann – sei es nun tatsächlich oder nur zum Schein. Die Parallelen seines privaten Dilemmas mit dem politischen Alltag waren offensichtlich. Er würde mit Julia verheiratet bleiben und eine Affäre mit dem Mädchen haben. In Tims Augen war dies eine sehr politische Lösung seines Problems, und das gefiel ihm.
    Er zündete sich eine Zigarette an und dachte über die Zukunft nach. Es war ein angenehmer Zeitvertreib. Ja, sagte sich Tim, ich werde mit dem Mädchen noch viele weitere Nächte in dieser Wohnung verbringen, und gelegentliche Wochenendurlaube in einem Hotel auf dem Lande; vielleicht ist sogar ein zweiwöchiger Urlaub in südlichen Gefilden drin, an irgendeinem kleinen, verschwiegenen Strand in Nordafrika oder der Karibik. Im Bikini muß das Mädchen umwerfend aussehen.
    Angesichts dieser Hoffnungen verblaßten andere. Tim war fast geneigt zu glauben, sein ganzes bisheriges Leben verschwendet zu haben; aber er wußte, daß dieser Gedanke denn doch ein bißchen übertrieben war. Verschwendet hatte er sein Leben nicht, doch es kam ihm jetzt so vor, als hätte er seine ganze Jugend damit verbracht, vierteilige Divisionen zu addieren, ohne die Differentialrechnung entdeckt zu haben.
    Er beschloß, mit dem Mädchen über das Problem und dessen Lösung zu reden. Falls sie bezweifelte, daß es eine Lösung gab, würde er ihr Mut machen und sie darauf hinweisen, daß es seine Spezialität war, Kompromisse zu finden.
    Aber wie sollte er anfangen? »Schatz, ich möchte noch einmal die Nacht mit dir verbringen. So viele Nächte wie möglich.« Hörte sich ganz gut an. Was würde sie antworten? »Ich auch.« Oder: »Ruf mich unter dieser Nummer an.« Oder: »Tut mir leid, Timmy, ich bin ein Mädchen für eine Nacht.«
    Nein, letzteres bestimmt nicht. Vergangene Nacht hatte es auch dem Mädchen viel zu viel Spaß gemacht – warum, mochte der Teufel wissen. Jedenfalls war er etwas Besonderes für sie. Das hatte sie schließlich gesagt.
    Tim erhob sich und drückte die Zigarette aus. Ich gehe jetzt zum Bett, sagte er sich, und dann ziehe ich ganz langsam die Decke von ihr herunter und guck mir ein Weilchen ihren nackten Körper an. Dann lege ich mich neben sie und küsse sie auf den Bauch, und auf die Oberschenkel, und auf die Brüste, bis sie aufwacht. Und dann vernasche ich sie noch einmal. Er nahm den Blick von dem Mädchen, schaute aus dem Fenster und schwelgte in freudiger Erwartung. Der Rolls-Royce stand immer noch an der Straße; er sah wie ein großer grauer Felsblock aus, der in den Rinnstein gerollt war. Aus unerfindlichen Gründen fühlte Tim sich durch den Wagen gestört. Ach, Quatsch, denk nicht mehr daran, sagte er sich und ging zum Bett.

2

    Felix Laski hatte nicht viel Geld, obwohl er ein sehr reicher Mann war. Sein Vermögen steckte in Aktien, Beteiligungen, Immobilien und diversen nebulösen Investitionen, beispielsweise einem zur Hälfte fertiggestellten Drehbuch für einen Spielfilm oder dem Drittelanteil an der Erfindung
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