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Die Spur der Füchse

Die Spur der Füchse

Titel: Die Spur der Füchse
Autoren: Ken Follett
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Tanzen, Ehebruch und starken Drinks seien. Und alle diese Sünden auf einen Streich zu begehen, wie in Tim Fitzpetersons Fall, hätte eigentlich den Zorn Gottes auf den Frevler herabbeschwören müssen.
    Doch weit gefehlt: Für Tim war der Lohn der Sünden ungetrübte Freude. Träge seifte er sich ein und dachte an den gestrigen Abend zurück. Die ganze Geschichte hatte bei einem dieser gräßlichen Dinner begonnen: GrapefruitCocktails und übergare Steaks und Überraschungseisbombe ohne Überraschung für dreihundert Mitglieder einer überflüssigen Organisation. Tims Rede war nur einer von vielen Erklärungsversuchen zur derzeitigen Regierungspolitik gewesen, deren Sinn und Zweck ohnehin niemand nachvollziehen konnte, wenngleich Tim seine Rede emo tional befrachtet hatte, um sich des besonderen Wohlwollens der Zuhörerschaft zu versichern. Nach Ende der Veranstaltung hatte er sich einverstanden erklärt, mit einem seiner Kollegen – einem begabten jungen Wirtschaftswissenschaftler im Regierungsdienst – und zwei halbwegs interessanten Leuten aus der Zuhörerschaft auf einen Drink in ein nettes Lokal zu gehen.
    Das nette Lokal erwies sich als Nachtclub, der für Tims Geschmack normalerweise zu teuer gewesen wäre, aber jemand hatte bereits das Eintrittsgeld bezahlt. Und als Tim erst mal drinnen war, hatte er sich herrlich amüsiert – so herrlich, daß er mit seiner Kreditkarte eine Flasche Champagner bestellte. Weitere Personen hatten sich zu ihrer kleinen Partyrunde gesellt: der leitende Angestellte einer Filmgesellschaft, von dem Tim flüchtig gehört hatte; ein Stückeschreiber, von dem er noch nie gehört hatte; ein politisch linksorientierter Wirtschaftsfachmann, der mit trokkenem Lächeln Hände schüttelte und sorgsam vermied, über die Arbeit zu reden. Und schließlich waren da die Mädchen gewesen.
    Der Champagner und die Bühnenshow brachten Tim ziemlich auf Touren. In den alten Zeiten hätte er sich irgendwann seine Julia geschnappt, wäre mit ihr nach Hause gefahren und hätte mit ihr geschlafen – wild und hastig und lustbetont. Hin und wieder gefiel Julia diese Art von Sex. Aber jetzt kam sie ja nicht mehr nach London, und Tim besuchte für gewöhnlich keine Nachtclubs.
    Die jungen Damen in der Bar waren den Herren nicht vorgestellt worden. Tim fing ein Gespräch mit dem Mädchen an, das ihm am nächsten saß, einer schlanken, flachbrüstigen Rothaarigen in einem langen Kleid von blasser Farbe. Sie sah wie ein Model aus, behauptete aber, Schauspielerin zu sein. Tim hatte damit gerechnet, daß dieses Mädchen ihn langweilte und daß sie entsprechend ge langweilt auf ihn reagierte. Doch bald schon spürte er, daß diese Nacht etwas Besonderes werden würde: Das Mädchen schien von ihm fasziniert zu sein.
    Das innige Gespräch zwischen Tim und der Rothaarigen isolierte die beiden nach und nach von den anderen Teilnehmern der Party, bis jemand den Vorschlag machte, in einen anderen Club weiterzuziehen – worauf Tim sofort erklärte, daß er nach Hause wolle. Doch die Rothaarige packte seinen Arm und bat ihn, mit ihr zu gehen. Tim, der seit zwanzig Jahren keiner hübschen jungen Frau mehr den Hof gemacht hatte, war auf der Stelle einverstanden.
    Als er nun aus der Badewanne stieg, fragte er sich, worüber er sich eigentlich so lange mit dem Mädchen unterhalten hatte. Die Arbeit eines Staatssekretärs im Energieministerium konnte man schwerlich als geeignetes Thema für eine lockere Cocktailparty-Konversation bezeichnen, und sofern es sich nicht um technische Dinge handelte, war es ohnehin eine streng vertrauliche Angelegenheit. Wahrscheinlich, ging es Tim durch den Kopf, haben wir ganz allgemein über Politik geredet.
    Hatte er pikante Anekdoten über hochrangige Politiker erzählt in dem trockenen Tonfall, der für ihn die einzige Möglichkeit war, sich humorvoll zu geben? Tim konnte sich nicht mehr erinnern. Er wußte nur noch, wie das Mädchen dagesessen hatte. Fast jeder Körperteil war hingebungsvoll ihm zugewandt: Kopf, Schultern, Knie, Füße – eine Körperhaltung, die gleichermaßen komisch, veralbernd und intim aussah.
    Tim wischte den Wasserdampf vom Rasierspiegel und rieb sich prüfend übers Kinn. Er hatte sehr dunkles Haar, und sein Bart, falls er ihn sprießen ließ, wäre dicht und struppig. Der Rest seines Gesichts war – milde ausgedrückt – durchschnittlich. Das Kinn war zu kurz, die Nase spitz, und zu beiden Seiten des Nasenrückens befanden sich zwei weiße Punkte, wo seit
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