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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)
Autoren: Robin Sloan
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mal – vielleicht war ich ja doch in einem Erotik-Shop gelandet. Ich blickte mich nach allen Seiten um, konnte aber weder Mieder noch ähnliche Reizwäsche entdecken. Statt dessen lag auf einem niedrigen Tisch gleich neben mir ein Stapel mit angestaubten Dashiell Hammetts. Ein gutes Zeichen.
    »Erzähl mir«, sagte Penumbra, »von einem Buch, das du liebst.«
    Die Antwort darauf war einfach. Konkurrenzlos. Ich sagte zu ihm: »Mr. Penumbra, es handelt sich nicht um ein einziges Buch, sondern um eine ganze Serie. Stilistisch ist sie nicht überragend und wahrscheinlich ist sie auch zu lang und das Ende ist grauenhaft, aber ich habe sie dreimal gelesen, und ich habe darüber meinen besten Freund kennengelernt, weil wir beide davon besessen waren, damals, als wir in die sechste Klasse gingen.« Ich holte Luft. »Ich liebe die Drachenlied-Chroniken .«
    Penumbra hob eine Augenbraue und lächelte dann. »Das ist gut, sehr gut«, sagte er, und sein Lächeln wurde immer breiter und offenbarte dicht gedrängte weiße Zähne. Dann musterte er mich aus zusammengekniffenen Augen von oben bis unten. »Aber kannst du auch auf eine Leiter klettern?«
    Und so kommt es, dass ich jetzt auf dieser Leiter hänge, oben im bodenlosen dritten Stock der Buchhandlung Penumbra. Das Buch, das er mir zu holen aufgetragen hat, heißt A L - A SMARI und steht etwa anderthalbmal so weit, wie mein Arm lang ist, zu meiner Linken. Ich muss eindeutig noch einmal nach unten und die Leiter ein Stück weiterschieben. Aber da steht Penumbra und ruft: »Streck dich, mein Junge! Streck dich!«
    Und Mann, bin ich scharf auf diesen Job.

MANTELKNÖPFE
    D as war alles vor einem Monat. Inzwischen bin ich Penumbras Verkäufer für die Nachtschicht und klettere die Leitern wie ein Äffchen rauf und runter. Dafür gibt es regelrecht eine Technik. Man schiebt die Leiter an die gewünschte Stelle und lässt die Rollen einrasten, dann geht man in die Hocke und springt gleich auf die dritte oder vierte Sprosse. Man zieht sich mit den Armen hoch, um den Schwung mitzunehmen, und schon hängt man anderthalb Meter in der Luft. Beim Klettern schaut man direkt geradeaus, nicht nach oben, nicht nach unten; man konzentriert sich auf einen Punkt etwa dreißig Zentimeter vor dem Gesicht und lässt die Wälzer in einem Wirbel aus bunten Buchrücken an sich vorbeirauschen. Dann zählt man stumm die Sprossen, und hat man endlich die richtige Ebene erreicht und greift nach dem gesuchten Buch … na, dann streckt man sich natürlich.
    Beruflich betrachtet, ist das möglicherweise keine ganz so marktfähige Qualifikation wie Webdesign, aber es macht wahrscheinlich mehr Spaß, und im Moment nehme ich alles, was ich kriegen kann.
    Ich wünschte nur, meine neuen Fähigkeiten kämen öfter zum Einsatz. Mr. Penumbras Laden operiert nicht aufgrund eines überwältigend großen Andrangs von Kunden rund um die Uhr. Tatsächlich gibt es kaum welche, und manchmal komme ich mir eher wie ein Nachtwächter vor als wie ein Verkäufer.
    Penumbra verkauft gebrauchte Bücher, die aber durch die Bank in einem so ausgezeichneten Zustand sind, dass sie ebenso gut neu sein könnten. Er macht seine Neuerwebungen tagsüber – man kann sie nur dem Mann verkaufen, dessen Name auf dem Schaufenster steht –, und offenbar ist er kein einfacher Kunde. Die Bestsellerlisten scheinen ihn nicht groß zu kümmern. Sein Lagerbestand ist eklektisch; es gibt keinerlei Hinweise auf irgendwelche Standards oder Kriterien außer seinen eigenen Vorlieben, schätze ich mal. Jugendliche Zauberer oder Vampir-Cops wird man also hier vergeblich suchen. Was schade ist, denn es ist genau so ein Laden, in dem man sofort ein Buch über einen jugendlichen Zauberer kaufen will. Es ist ein Laden, in dem man ein jugendlicher Zauberer sein will.
    Ich habe meinen Freunden von Penumbras Laden erzählt, und ein paar sind auch vorbeigekommen und haben die Regale in Augenschein genommen und mir beim Erklimmen der staubigen Höhen zugesehen. Normalerweise beschwatze ich sie, irgendwas zu kaufen: einen Roman von Steinbeck, Erzählungen von Borges, einen dicken Tolkien-Wälzer – für all diese Autoren hat Penumbra eindeutig ein Faible, weil er von jedem das Gesamtwerk führt. Wenn gar nichts geht, schicke ich meine Freunde wenigstens mit einer Postkarte nach Hause. Auf dem Schreibtisch vorn liegt ein ganzer Stapel. Darauf ist eine Außenansicht des Ladens abgebildet – eine zarte Federzeichnung, die so alt und uncool ist, dass sie
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