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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper
Autoren: Andrea Camilleri
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Ricci strapazieren, nur weil der Herr Präfekt das verordnet hat.«
      Der Fachmann für Patristik war ehrlich entrüstet und brachte sogar die Patience durcheinander, die ihm nach einer Reihe von Schummeleien endlich gelingen wollte.
      »Wissen die Herrschaften schon?« schaltete sich der Arzt Gammacurta ein, »dieser Ricci, der die Musik zum Bierbrauer von Preston geschrieben hat, soll eine Oper komponiert haben, die eindeutig eine schlechte Kopie eines Stücks von Mozart ist.«
      Bei diesem Namen fuhren alle Anwesenden entsetzt zusammen. Den Namen Mozart auszusprechen, der bei den Sizilianern aus unerklärlichen Gründen auf Ablehnung stieß, kam einer Gotteslästerung gleich. In Vigàta gab es nur eine einzige Person, die diese Musik verteidigte, die nach Meinung aller weder Fisch noch Fleisch war, und das war der Schreiner Don Ciccio Adornato.
      Doch wie es schien, tat er das aus persönlichen Gründen, über die er sich aber ausschwieg.
    »Mozart?«
    Das kam nicht wie aus einem Mund, auch wenn alle den Namen zum gleichen Zeitpunkt ausriefen. Die einen sprachen den Namen mit Abscheu, andere wiederum voller Schmerz aus, als handle es sich um Verrat, und wieder andere mächtig erstaunt oder tief entrüstet. sich trostsuchend in die Arme Rossinis, der ihm wer weiß aus welchem Grund wohlgesinnt war. Rossini kam seinen Freundespflichten nach und sprach ihm Mut zu, gab aber allen zu verstehen, daß Ricci sich das Ganze im Grunde selbst eingebrockt hatte.«
      »Und wir sollen unser Theater in Vigàta mit der Oper eines Dilettanten einweihen, nur weil der Herr Präfekt übergeschnappt ist?« fragte der Vorsitzende und faßte sich drohend an die Hosentasche, wo der Revolver steckte.
      »O du guter Gott«, rief der Kanonikus. »Mozart ist schon sterbenslangweilig, stellen wir uns noch die schlechte Kopie eines schlechten Originals vor! Darf man vielleicht wissen, was der Herr Präfekt im Hirn hat?«
      Da keiner ihm eine Antwort geben konnte, machte sich erneut nachdenkliches Schweigen breit. Giosuè Zito war es schließlich, der in die Stille hinein und ganz leise, um nicht von der Straße her gehört zu werden, anhob:
    »Ah, non credea mirarti …«
    Der Marchese Coniglio della Favara stimmte ein:
    »Qui la voce sua soave …«
    Und in tiefem Baß sang der Commendatore Restuccia:
    »Vi ravviso, o luoghi ameni …«
    An dieser Stelle erhob sich der Kanonikus Bonmartino von seinem Stuhl, eilte an die Fenster und zog die Vorhänge zu. Der Vorsitzende Cozzo steckte ein Licht an, um das sich alle im Halbkreis aufstellten. Der Arzt leiser.
      In jenem Augenblick waren sie im Namen Bellinis zu Verschworenen geworden.
    Der Bierbrauer von Preston, lyrische Oper von Luigi Ricci, die der Präfekt von Montelusa ihnen aufzwingen wollte, würde nicht zur Aufführung kommen.

    »Sollte er das Moskitonetz aufheben?« fragte sich Concetta Riguccio verwitwete Lo Russo, zitternd unter dem gestärkten Baumwolltuch verborgen, das im Sommer über ihrem Bett angebracht war, um sie vor Mücken- und Bremsenstichen zu schützen. Der Fliegenschleier glich einem Gespenst, das an einem Nagel hing. Der gewaltige Busen der Witwe wurde jetzt von einem Sturm Windstärke zehn gepackt: die Brust auf der Backbordseite drückte es nach Nordwesten, und die auf Steuerbord ließ sich nach Südosten treiben. Als Frau eines Matrosen, der in den Fluten bei Gibraltar ertrunken war, konnte sie nicht anders als in der Seefahrersprache denken, die ihr Mann ihr in fünf Jahren Ehe beigebracht hatte, bis sie schließlich im Alter von nur zwanzig Jahren schon strenge Trauer tragen mußte.
    Jesus Maria! Was für ein Treiben! Was für eine Nacht! Und welch hoher Seegang! Wegen der ausgemachten Sache, die stattfinden sollte, war ihr Blut ohnehin schon in Wallung: einmal sank es, und sie wurde ganz bleich; dann stieg es bis an Deck und ließ sie rot und violett anlaufen. Zu allem Überfluß hatte sie in den ersten Nachtstunden voller Schrecken großes Geschrei aus dem neuen Theater gegenüber ihres Hauses vernommen; darauf ertönte eine Trompete, und der Lärm einer wilden Jagd von Christenmenschen und galoppierenden Pferden war zu hören. Vielleicht hatte es irgendwo eine Schießerei gegeben.
    schwaches Geräusch auf dem Dach vernahm und dann seine vorsichtig schleichenden Schritte auf der Regenrinne. Mit einem gedämpften Aufprall war er vom Dach auf die Brüstung des großen Fensters gesprungen, das, wie abgemacht, nur halb geschlossen war. Jetzt,
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