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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper
Autoren: Andrea Camilleri
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einfallen soll«, erwiderte der Cavaliere Mistretta beleidigt.
    »Erklären Sie besser, was Sie meinen.«
      »Das weiß doch Hinz und Kunz, daß Sie in jener berühmten Nacht, mit der Sie der ganzen Welt bereits mehr als genug in den Ohren gelegen sind, von keinem Gespenst, sondern von dem großen Gehörnten, ihrem Bruder Giacomino, heimgesucht wurden. Er hatte sich mit einem Leintuch verkleidet, um Sie in den Wahnsinn zu treiben und sich so das gesamte väterliche Erbe unter den Nagel zu reißen.«
    »Und was bedeutet das?«
      »Was das bedeutet? Daß es kein Gespenst gab. Es war Ihr Bruder Giacomino, der herumgeisterte!«
      »Aber einen Riesenschreck habe ich trotzdem gekriegt! Er hat auf mich wie ein echtes Gespenst aus Fleisch und Blut gewirkt! Fieber habe ich bekommen, vierzig Grad Fieber! Und Blasen auf der Haut! Deshalb hätten Sie aus Rücksicht ein anderes Wort benutzen können!«
    »Welches denn?«
      »Was weiß denn ich, Sie sprechen doch mit Ihren Worten, nicht mit den meinigen.«
    »Sehen Sie, ich konnte und kann das Wort nicht ändern,
    spricht?«

    An dieser Stelle bedarf es einer Erläuterung. Dem Marchese Coniglio della Favara gebührte aufgrund seines Standes und seines Vermögens eigentlich ein Platz unter den Mitgliedern des »Zirkels der Adligen« von Montelusa – den er auch tatsächlich innegehabt hatte. Bis eines unheilvollen Tages im Vorjahr – es war der Ehrentag des heiligen Joseph – die Statue des Heiligen unter den großen Fenstern des Vereinssitzes vorübergetragen wurde. An einem der Fenster stand der Marchese Manfredi und verfolgte den festlichen Umzug. Das Unglück wollte es, daß der Baron Leoluca Filò di Terrasini, ein fanatischer Anhänger des Papstes und Laienbruder des Franziskanerordens, an seiner Seite Stellung bezog. Und genau in jenem Augenblick fiel dem Marchese auf – nie zuvor in seinem Leben hatte er einen Gedanken darauf verschwendet –, wie alt der heilige Joseph in Wirklichkeit schon war. So stellte er Mutmaßungen über den Altersunterschied zwischen Joseph und Maria an und beging den Fehler, seine Schlußfolgerung laut zu äußern:
    »In meinen Augen war es eine Zweckheirat.«
    Die Laune des Schicksals wollte es, daß dem Baron Leoluca just die gleiche Idee gekommen war. Höllenangst überfiel ihn ob seines gotteslästerlichen Denkens. Schweißgebadet begriff er bestens, was die Worte des Marchese bedeuteten.
      »Warten Sie, ich warne Sie: was Sie sagen, kann Folgen haben.«
      »Die Folgen sind mir scheißegal. Sehen Sie, mir scheint, daß der heilige Joseph einfach zu alt war, um es mit der Maria zu treiben.«
      Mehr konnte er nicht sagen, denn blitzschnell hatte der Baron ihm auch schon eine geschmiert. Ebenso blitzschnell erfolgte der Fußtritt, den der Marchese nicht gerade vornehm dem Baron zwischen die Beine versetzte. Von der Wucht des Tritts niedergestreckt, hatte sich der Baron keuchend auf dem Boden gewälzt. Dann hatten sie sich zum Duell gefordert und mit dem Schwert geschlagen. Der Baron hatte dem Marchese eine Streifwunde zugefügt, worauf dieser aus dem Zirkel von Montelusa ausgetreten war:
      »Alles Leute, mit denen sich nicht vernünftig reden läßt.«
      So hatte er schließlich einen Antrag auf Aufnahme in den Verein von Vigàta gestellt, wo man ihn mit Begeisterung willkommen hieß, zumal die Mitglieder alles Kaufleute, Grundschullehrer, Angestellte und Ärzte waren und es weit und breit keine Spur eines Adligen gab. Sein Beitritt brachte Glanz und Ehre.
      Auf die höfliche Frage des Marchese hin warf sich der Cavaliere in die Brust.
    »Ich spreche von Uogner! Und von seiner göttlichen
      »Das kommt daher, daß Sie ein Ignorant sind! Zwischen Ihrer und der Kultur einer Meerbarbe besteht keinerlei Unterschied! Es war die werte Signora Gudrun Hoffer, die mir eine Kostprobe dieser Musik auf dem Klavier vorgespielt hat. Und ich fühlte mich dabei wie im Paradies! Aber Teufel noch mal, wie kann man bloß Uogner nicht kennen? Haben Sie noch nie etwas vom Fliegenden Holländer gehört?«
      Giosuè Zito, der sich gerade erst vom Schlag zuvor erholt hatte, schwankte und konnte sich gerade noch an einem Beistelltisch festhalten.
      »Sie wollen mich also richtig in Rage bringen! Warum reden Sie verdammt noch mal weiter von Gespenstern?«
      »Weil so der Titel lautet und es eine großartige Oper ist! Mir ist es völlig egal, wenn Sie sich in die Hosen scheißen! Es ist eine neue, revolutionäre Musik! Genau
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