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Die Seelenzauberin

Die Seelenzauberin

Titel: Die Seelenzauberin
Autoren: Celia Friedman
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warf ein paar Canthus-Blätter in den Topf, stellte ihn beiseite, damit das Kraut ziehen konnte, und sah zu, wie der Dampf vom heißen Wasser aufstieg. Er wollte ihr Gelegenheit geben, als Erste zu sprechen, wenn ihr der Sinn danach stand. Als das Wasser endlich ein tiefes Goldbraun angenommen hatte und der Geruch die kleine Hütte durchzog wie ein starkes Parfüm, füllte er zwei Tassen, blies sachte darauf und ging damit zu Kamala.
    Ihre Lider waren halb geöffnet, aber ihr Blick war noch verschwommen; sie war wach, aber noch nicht vollends bei sich.
    »Hier«, sagte er. Er ließ ihr Zeit, die Tasse mit Canthus-Tee ins Auge zu fassen und sich mühsam aufzusetzen. Als sie ihm die Tasse abnahm – ihre Hände zitterten leicht, denn sie gebrauchte sie zum ersten Mal seit Tagen –, griff er nach einem Stück Papier, das schon seit Längerem daneben auf dem Tisch lag. »Und hier«, sagte er und reichte es ihr. Dann zog er einen Stuhl heran und setzte sich neben sie.
    Sie wollte an der Tasse nippen, doch verriet ihre Miene, dass ihr der Tee zu heiß war. Schon sah er die Macht über der Oberfläche flimmern. Sie hatte zur Kühlung ein wenig Seelenfeuer beschworen. Wie selbstverständlich sie einem anderen Menschen die Lebenskraft entzog, dachte er, nur um sich selbst einen einzigen Atemzug zu sparen. Zugleich wusste er im Innersten, dass ein solcher Akt keineswegs selbstverständlich für sie war, sondern ihr sehr viel bedeutete, denn er war nur möglich geworden durch die Überwindung der Grenzen, die ihrem Geschlecht gesetzt waren. Einen Moratus zu töten, um eine Tasse Tee zu kühlen – ein solcher Luxus war nur einigen wenigen Auserwählten vorbehalten.
    Den Göttern sei Dank dafür , dachte er.
    Er sah, wie die Farbe langsam in ihre Wangen zurückkehrte, als ihr der Tee das Blut erwärmte; das Minzkraut würde ihr auch den Kopf klar machen. Er bemerkte ein paar helle Sommersprossen auf ihrer Stirn, Erinnerungen an ein sonnigeres Klima. Für einen kurzen, verwirrenden Moment verspürte er Eifersucht.
    Doch worauf?
    Ihre Hand zitterte noch immer ein wenig, als sie die Tasse abstellte. Dann wandte sie sich dem Blatt in ihrer Hand zu und starrte es so lange verständnislos an, als hätte sie das Lesen verlernt.
    Endlich wurde die Schrift scharf, und sie runzelte die Stirn. »Was ist das?«
    »Eine Liste all der unerfreulichen Dinge, die ich dir hätte antun können, während du schliefst. Immer vorausgesetzt, ich hätte dich wegen deiner früheren Verbrechen nicht umgehend an die anderen Magister ausgeliefert. Nimm es als Warnung. Es könnte dir übel bekommen, noch einmal als gesuchte Verbrecherin halb tot vor der Tür eines Magisters aufzutauchen.« Er nahm einen kleinen Schluck aus seiner Tasse und beobachtete, wie sie die Liste überflog. Zu seiner Überraschung begehrte sie nicht auf und suchte auch keine Ausflüchte, sondern fragte nur leise: »Sind wirklich so viele hinter mir her?«
    »Seit du hier bist, wurden mindestens ein Dutzend Suchzauber auf dich angesetzt, und einige davon haben den Weg bis in diesen Wald gefunden. Ich will nicht behaupten, dass meine Schutzschilde ihnen nicht gewachsen wären, aber ich wüsste doch gerne, gegen wen oder was ich dich verteidige. Und warum ich das tun sollte.«
    Sie senkte die Tasse und schloss die Augen. Ein Zittern durchlief ihren Körper. »Jagen sie mich, weil ich diesen Magister getötet habe? Oder aus einem anderen Grund?«
    »Wissen sie denn, dass du dafür verantwortlich warst?«
    »Ich glaube, ein Magister weiß Bescheid. Er könnte es weitergegeben haben.«
    Er seufzte und lehnte sich in seinem Stuhl zurück; das alte Holz knarrte unter seinem Gewicht. »Und welcher?«
    »Spielt es eine Rolle?«
    »Könnte sein.«
    »Colivar.«
    Er murmelte etwas vor sich hin. Es hätte ein Fluch sein können.
    »Schlimm?«
    Er stand auf, trat ans Feuer und rührte zum Schein im Teekessel, damit sie sein Gesicht nicht sah. »Colivar pflegt seine Geheimnisse für sich zu behalten«, sagte er endlich. »Es ist unwahrscheinlich, dass er den anderen die Wahrheit über dich verrät, es sei denn, er verspräche sich einen Vorteil davon. Und er wird dich nicht allzu schnell zur Strecke bringen, wenn er glaubt, dass es unterhaltsamer ist, sich dabei Zeit zu lassen.« Er sah sie scharf an. »Aber er hält sich wie alle anderen an das Magistergesetz. Vergiss das nie. Und wenn er dich noch eine Weile am Leben lässt, dann nicht etwa, weil er es gut mit dir meint.«
    Sie nickte
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