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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes
Autoren: Faye Kellerman
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sprechen. Ich hab ihm gesagt, dass ich erst mal mit Hershfield rede.«
    »Chaim muss völlig verzweifelt sein.« Rina beugte sich zu ihrer Tochter hinüber und streichelte ihr übers Haar. Hannah war wieder eingeschlafen.
    »Die ganze Familie ist verzweifelt«, entgegnete Jonathan.
    »Wie geht es denn Shayndas Mutter?«
    »Minda? Sie. wir mussten ihr ein Beruhigungsmittel geben. Normalerweise würde ich in so einem Fall die Einnahme von Medikamenten strikt ablehnen, aber sie war vollkommen hysterisch.« Zögerlich suchte er nach Worten: »Sie und Shayndie lagen schon seit etlichen Jahren im Streit miteinander.«
    »Das will nichts heißen«, sagte Rina. »Alle Eltern streiten mit ihren Kindern.«
    »Ihre Auseinandersetzungen waren ziemlich. heftig«, erklärte Jonathan. »Ich bin mir sicher, dass Minda glaubt, das Ganze sei ihre Schuld. Was natürlich nicht stimmt.«
    Es sei denn, sie hat irgendetwas mit dem Verschwinden ihrer Tochter zu tun, dachte Decker. »Chaim und sein Vater besitzen also mehrere Elektrogeschäfte.«
    »Ja.«
    »Als gleichberechtigte Partner?«
    »Keine Ahnung. Es geht mich ja auch nichts an.«
    »Ich frag ja nur. Und finanziell ist alles im grünen Bereich?«
    »Die Läden gibt es schon seit über dreißig Jahren. Ich weiß zwar, dass das letzte Jahr ziemlich hart gewesen ist - der übliche Überlebenskampf in New York samt Wirtschaftskrise -, aber von größeren finanziellen Problemen habe ich nichts gehört. Andererseits würden sie mir natürlich auch nichts sagen, wenn es Probleme gäbe.«
    »Hast du je von irgendwelchen unrechtmäßigen Geschäftspraktiken gehört?«
    »Nein.« Jonathan biss sich auf die Lippe. »Mir tut mein Schwiegervater so Leid. Schließlich hat er einen Sohn verloren. Alle konzentrieren sich dermaßen auf Shaynda - was ja auch richtig ist -, dass man fast den Eindruck haben könnte, sie hätten Ephraim vergessen. Jetzt muss mein Schwiegervater nicht nur mit dem Verlust seines Sohnes fertig werden, sondern auch noch um seine Enkelin bangen.«
    »Wann ist Ephraims Beerdigung?«, fragte Rina.
    »Wir hoffen, dass sie seine Leiche heute freigeben, damit wir die lewaje am Sonntag halten können. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass das Ganze noch länger dauert. Der Schabbes wird die reinste Hölle werden, jetzt, wo alles in der Schwebe ist. Es sei denn, man findet Shayndie heute.« Jonathan warf Decker einen kurzen Blick zu. »Das wäre doch möglich, oder?«
    »Natürlich«, erwiderte Decker. Es war noch viel zu früh, um irgendwelche Prognosen abzugeben. »Und ihr habt nicht die geringste Idee, wo sie sein könnte?«
    »Wir haben alles abgeklappert - sämtliche Freunde, sämtliche Schulkameraden, Lehrer, Rabbiner, Obdachlosenzentren in dem Gebiet, wo das Verbrechen passiert ist. Die Polizei in Quinton hat umfangreiche Nachforschungen angestellt und ist von Haus zu Haus gegangen.« Er stieß einen Seufzer aus. »Wenn ich mich so höre, klingt das, als wäre die Lage ziemlich. ziemlich ernst.«
    »Viel Zeit ist doch noch gar nicht vergangen, Jon. Vielleicht taucht sie von selbst wieder auf.«
    »Ich bete, dass es so kommt.«
    »Gibt es etwas, was ich tun könnte?«, fragte Rina.
    »Nein, Rina, vielen Dank« Wieder schlug er leicht gegen das Lenkrad, um seine Nervosität abzureagieren. Schweigend fuhren sie weiter, bis sich die zackige Skyline von Manhattan vor ihnen am Horizont abzeichnete.
    Rina blickte aus dem Fenster.
    »Ihr seid nach dem elften September nicht mehr hier gewesen?«
    »Nein.«
    »Ich verstehe«, sagte Jonathan. »Selbst für mich ist es immer noch ein merkwürdiges Gefühl, die beiden Türme nicht mehr zu sehen.«
    Rina schüttelte den Kopf. »Ich freue mich, die Jungs wieder z u treffen.«
    »Meine Mutter hat mir erzählt, dass ihr den Schabbat bei den Lazarus verbringt«, sagte Jonathan. »Wie schön, dass ihr den Kontakt zu ihnen nicht verloren habt.«
    »Sie sind die Großeltern meiner Söhne«, entgegnete Decker.
    »Du wärst überrascht, wie viel Engstirnigkeit ich im Lauf eines Tages begegne, Akiva. Seelsorgerische Tätigkeit ist manchmal nur eine andere Bezeichnung dafür, dass man den Schiedsrichter spielen muss.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen«, sagte Decker. »Aber die Lazarus' sind sehr nette Leute. Ich glaube, dass sie jedes Mal einen Kloß im Hals haben, wenn sie mich mit Rina sehen.«
    »Unsinn«, widersprach Jonathan. »Sie haben dich als einen der Ihren angenommen. Das hat zumindest meine Mutter gesagt.« Er schlug auf das
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