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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes
Autoren: Faye Kellerman
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unterbrach ihn. »Wir werden etwa gegen sechs Uhr morgens bei euch eintreffen.«
    »Gib mir die Flugnummer, dann hol ich euch ab«, sagte Jonathan. »Auch wenn es schon acht Jahre her ist, wirst du keine Probleme haben, mich wieder zu erkennen. Ich bin der mit dem dümmlichen Ausdruck im Gesicht.«
    Decker schob sein Tablett zurück in die Halterung. »Warum verbringe ich kostbare Urlaubstage mit dieser Geschichte?«
    »Weil du ein hilfsbereiter Mensch bist?«, schlug Rina vor.
    »Nein, weil ich ein Idiot bin«, knurrte er, rutschte unruhig auf seinem Sitz hin und her und suchte nach einer bequemen Haltung für seine langen Beine. »Ich verabscheue Fälle von sexuellem Missbrauch...«
    »Kannst du bitte etwas leiser sprechen?«
    Decker sah sich um. Die Leute starrten ihn bereits an.
    »Du weißt doch gar nicht, ob es wirklich so war«, flüsterte Rina.
    »Doch, das weiß ich. Der Onkel war so ein Dreckskerl.«
    »Peter, bitte!« Rina deutete auf Hannah.
    »Sie schläft doch.«
    »Trotzdem kann sie dich hören.«
    »Ich bin einfach nur sauer.«
    »Klar. Ich doch auch.«
    Decker sah sie an. »Tatsächlich?«
    »Ja, natürlich. Aber weil ich so eine gute Seele bin, werde ich so oft ausgenutzt. Ich würde liebend gern Nein sagen, aber dann hab ich ein schlechtes Gewissen. Also, was soll ich machen? Ich bin schon mit dem Helfersyndrom zur Welt gekommen.«
    »Wir beide, Schatz.« Decker verzog das Gesicht. »Wir geben der ganzen Geschichte ein paar Tage - mehr nicht. Und in der Zwischenzeit treffen wir uns mit den Jungs, was ja auch nicht so schlecht ist.«
    »Genau. Sammy ist kein Problem, der wohnt in der Stadt. Aber Yonkie muss ein paar Verrenkungen machen. Er hat jedoch versprochen, uns am Wochenende zu treffen.«
    »Das freut dich so richtig, stimmt's?«
    »Natürlich. Genau wie die Großeltern der Jungs. Sie sind schon ganz aus dem Häuschen.«
    Die Eltern von Rinas verstorbenem Mann. Nicht seine Familie. Aber was machte das schon? Es waren nette Leute, die einen schrecklichen Verlust erlitten hatten. »Wenigstens mache ich jemandem eine Freude.«
    Rina tätschelte seine Hand. »Dass ich mit dir zusammen sein kann, Peter, ist für mich das Schönste daran.«
    »Du weißt wirklich, wie du mich um den Finger wickeln kannst.«
    »Und warum schaust du dann noch so sauer?« »Weil ich manchmal gern sauer bin. Du nimmst mir eines meiner wenigen Vergnügen.«
    »Keine Sorge.« Rina klopfte ihm beruhigend aufs Knie. »Wenn du dich erst mal mit dem New Yorker Verkehr, Jonathans und meiner Familie und den Juden im Allgemeinen herumgeschlagen hast, wirst du bestimmt genügend Gründe haben, ziemlich sauer zu sein.«

2
    Ihre Maschine landete pünktlich auf dem John-F.-Kennedy-Flughafen. Decker, Rina und Hannah kamen müde und erschöpft aus der Abfertigungshalle. Decker litt nicht nur unter flugbedingtem Schlafmangel. Er war am Abend zuvor erneut zur Polizeiwache gefahren, um vor der Abreise noch den nötigen Papierkram zu erledigen. Nachdem er diverse Dienstpläne und Termine hin und her geschoben hatte, war es ihm gelungen, sich vier Tage freizuschaufeln, sodass er erst Mittwochabend zurückfliegen musste. Die dringlichste Aufgabe - die Klärung einer Reihe von Überfällen auf verschiedene kleinere Supermärkte - stellte kein allzu großes Problem dar: Zwei der Täter saßen bereits in Gewahrsam. Mike Masters und Elwin Boyd kümmerten sich um diesen Fall, während Dunn und Oliver das vereinbarte Treffen mit dem Staatsanwalt in dem Harrigan-Entführungsfall übernehmen konnten. Da sie die Untersuchung leiteten, wussten sie sowieso mehr über die Geschichte als Decker. Die Beitran-Vernehmung stand ebenfalls erst nach seiner Rückkehr an, und während Deckers Abwesenheit konnte Bert Martinez - seit drei Monaten Detective Sergeant Bert Martinez - sich um den Verhafteten kümmern.
    Rina hatte die Reiseplanung übernommen. Sie, Hannah und Decker würden New York am Montagabend wieder verlassen und dann zwei Tage bei Deckers Eltern in Florida verbringen. Dieser Besuch stand schon seit langem an. Vielleicht war diese unvorhergesehene Reise ja ein Wink des Schicksals.
    Jonathan erwartete sie an der Gepäckausgabe. Er war schlanker, als Decker ihn in Erinnerung hatte, und sein Bart bestand jetzt zu gleichen Teilen aus braunen und grauen Haaren. Müde, rot geränderte Augen blinzelten durch die kleine Nickelbrille. Aber seine Kleidung war tadellos: ein blauer , dezent gemusterter Anzug, weißes Hemd und eine goldgelbe Krawatte mit
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