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Die Schriften von Accra (German Edition)

Die Schriften von Accra (German Edition)

Titel: Die Schriften von Accra (German Edition)
Autoren: Paulo Coelho
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Tongefäße gesteckt, aber trotzdem haben sie mich verraten und sind zersprungen.‹
    Er verkauft seinen Laden und zieht weg. Am Ende ist er einsam und verbittert und überzeugt, niemals wieder jemandem vertrauen zu können.
    Es kommt tatsächlich vor, dass Gefäße zerbrechen und mit ihnen der Pakt der Treue. In diesem Fall ist es am besten, die Scherben zusammenzukehrenund sie wegzuwerfen, denn das, was einmal zerbrochen ist, wird nie wieder wie vorher.
    Manchmal aber fällt das Regal aus Gründen in sich zusammen, die man nicht beeinflussen kann: wegen eines Erdbebens, wegen eines Überfalls, aufgrund einer Unachtsamkeit.
    Dann schieben sich alle gegenseitig die Schuld zu und sagen: ›Warum hast du nicht aufgepasst?‹ Oder: ›Mir wäre das nicht passiert.‹
    Doch das stimmt nicht. Wir alle sind Gefangene der Zeit und haben keine Kontrolle über sie.
    Die Zeit vergeht, das kaputte Regal wird geflickt und wieder aufgebaut.
    Andere Tongefäße rücken an die Stelle der alten. Und der neue Ladenbesitzer, der weiß, dass alles vergänglich ist, lächelt und sagt sich: ›Das Unglück meines Vorgängers ist meine Chance, und ich werde sie nicht ungenutzt verstreichen lassen, sondern neue Gefäße kaufen und darunter Schätze entdecken, von deren Existenz ich keine Ahnung hatte.‹ Die Schönheit eines solchen Ladens besteht in der Einzigartigkeit jedes einzelnen Gefäßes. Sieht man sie nebeneinanderstehen, strahlen sie Harmonie aus und spiegeln die Mühen des Töpfers und die Kunst des Malers wider, der sie bemalt hat.
    Keines dieser Kunstwerke darf aber von sich behaupten:›Ich bin etwas Besonderes.‹ Denn sonst wäre es nicht mehr wert als ein Haufen Scherben.
    Und so wie mit den Gefäßen verhält es sich auch mit den Menschen.
    Und mit den verschiedenen Völkern und mit den Schiffen und den Bäumen und den Sternen.
    Haben wir das erst begriffen, können wir uns am Abend neben unseren Nachbarn setzen, respektvoll anhören, was er zu sagen hat, und ihm sagen, was wir ihm zu sagen haben. Und keiner wird dem anderen die eigenen Vorstellungen aufzwingen.
    Mögen uns die Berge auch körperlich voneinander trennen, so gibt es doch die Gemeinschaft des Geistes. Wir sind Teil dieser Gemeinschaft. Und in dieser Gemeinschaft sind die Worte wie Straßen, die Fernes verbinden, und wie bei Straßen müssen gelegentlich die Schäden repariert werden, die die Zeit ihnen zugefügt hat.
    So wird ein geliebter Mensch, der zurückkehrt, niemals mit Misstrauen empfangen werden, weil die Loyalität seine Schritte begleitet hat.
    Und der Mensch, der gestern noch unser Gegner war, weil Krieg war, kann heute schon unser Freund sein, weil der Krieg zu Ende ist und das Leben weitergeht.
    Der Sohn, der davonging, wird zurückkehren, wenn es an der Zeit ist – und er wird reich sein anErfahrungen, die er auf seinem Weg gemacht hat. Der Vater wird ihn mit offenen Armen empfangen und seinen Dienern sagen:
›Bringt das beste Kleid, und tut es ihm an, und gebt ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, und bringt ein gemästet Kalb her und schlachtet’s; lasset uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden.‹«

Und ein Mann, dessen Stirn von
der Zeit gezeichnet und dessen Körper
voller Narben war, die von den
Schlachten erzählten, an denen er
teilgenommen hatte, bat:
»Sprich zu uns über die Waffen,
die wir benutzen müssen, wenn
alles verloren ist.«

U nd der Kopte sagte:
    »Wo Loyalität ist, sind Waffen überflüssig.
    Denn alle Waffen sind Werkzeuge des Bösen, nicht Werkzeuge des Weisen.
    Loyalität gründet auf Respekt, und der Respekt ist die Frucht der Liebe. Die Liebe vertreibt die Dämonen des Misstrauens allem und allen gegenüber und gibt dir wieder einen klaren Blick.
    Will ein Weiser jemanden schwächen, wird er zuerst den anderen glauben machen, er selber wäre stark. Dann wird dieser in die Falle laufen, jemand noch Stärkeren herauszufordern und besiegt werden.
    Will ein Weiser jemanden erniedrigen, wird er den anderen dazu bringen, auf den höchsten Berg zu steigen und sich, oben angelangt, für mächtig zu halten. Dann glaubt dieser, noch höher hinaufsteigen zu können, und wird in den nächsten Abgrund stürzen.
    Wenn ein Weiser begehrt, was ein anderer besitzt,wird er ihn mit Geschenken überhäufen und so dafür sorgen, dass der andere vor lauter Besitztümern den Überblick und als Folge alles verliert,
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