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Die Schreckensteiner auf der Flucht

Die Schreckensteiner auf der Flucht

Titel: Die Schreckensteiner auf der Flucht
Autoren: Oliver Hassencamp
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du denn deine schönen, blauen Augen her?“ fragte er während des dritten Tanzes.
    „Die hat mir meine Mami zum Geburtstag geschenkt!“ piepste die kleine Fledermaus. Dann musste sie husten. Zwei Oktaven tiefer. Und brach vor Lachen zusammen.
    „Dämlicher Hund!“ schimpfte Dampfwalze und ließ die kleine Fledermaus stehen. Er hatte Ingrid mit Mücke verwechselt. Mücke wälzte sich am Boden vor Lachen. Mehr als zehn Minuten hatte er sich beherrscht und todernst in Dampfwalzes Pranke gelehnt.
    Die frechsten Masken aber waren ohne Zweifel Stephan und Ottokar. Normalerweise von grundverschiedenem Aussehen, hatten sie sich einander erstaunlich angeglichen. Nicht zuletzt mit Hilfe von Nasenkitt, den sie sich bei Dorffriseur Bächle im nahen Wampoldsreute besorgt hatten. Ottokar, mit Reitstiefeln und Spazierstock versehen, war als Graf Bodo von Schreckenstein, genannt „Mauersäge“, erschienen; Stephan mit Haarknoten, Bluse und Rock als Fräulein Doktor Horn. Sein Auftritt bildete den zweiten Höhepunkt des Abends. Die Mädchen quietschten vor Vergnügen.
    „Das ist die größte Unverfrorenheit, die mir je vorgekommen ist!“ raunte Beatrix ihm ins Ohr. Der Rex nahm Stephan beiseite.
    „Wenn sie’s merkt, sag wenigstens, du seist Graf Schreckensteins Schwester!“
    So war der Rex. Nicht nur, dass er Stephan seinen Spaß an der Sache ließ, er hatte auch noch die beste Idee. Denn mit einer etwas abgewandelten Frisur ohne Knoten wäre er der Gräfin Irmintraut von Schreckenstein ähnlicher gewesen. Allerdings nur für die Ritter. Mauersäges Schwester lebte nicht auf der Burg und kam selten zu Besuch. Die Mädchen kannten sie nicht. Für sie blieb Stephan eine unverschämt gelungene Nachahmung von Fräulein Doktor Horn, zumal sich die Leiterin als einzige nicht verkleidet hatte, sondern genau wie Stephan Rock und Bluse trug, dazu allerdings ein winziges Papierhütchen und um den Hals eine Luftschlange. Ein Kostüm oder eine Maske wäre nach ihrer Vorstellung mit der Würde eines Erziehers unvereinbar gewesen.
    Vier kleine Ritter hopsten an der Direktionsloge vorbei. Jeder mit einem Umhang, einem Hut mit Feder und einem Degen.
    „Was seid ihr denn?“ fragte Fräulein Doktor Horn und hielt den kleinen Egon an seinem Umhang fest.
    „Wir sind die vier Muskeltiere!“ antwortete der kleine Herbert. Einen Augenblick stutzte die Leiterin, dann lächelte sie:
    „Du meinst wohl ,Musketiere’! Aber die sind nur zu dritt, die ,drei Musketiere’. Oder wisst ihr das nicht?“
    „Doch!“ sagte der kleine Kuno. Und der Kleinste von ihnen, der kleine Eberhard, pflanzte sich breitbeinig vor der Loge auf und verkündete: „Aber wir sind die vier Muskeltiere!“
    Beifall kam auf. Das Schlossgespenst hatte sich ans Klavier gesetzt, der Pinguin wälzte sich auf das Podium und griff zur Flöte, einer der beiden bösen Buben, nämlich Max, griff zum Bass, Mauersäge setzte sich ans Schlagzeug und das falsche Fräulein Doktor Horn verschwand zur Hälfte hinter dem Akkordeon.
    „Jetzt wird’s erst richtig!“ flüsterte Hexe Beatrix einer der beiden Fledermäuse zu. Sie hatte sich nicht geirrt: es war Ingrid. Sogleich kam der muskelstrotzende Maharadscha auf die beiden zu.
    „Komm“, sagte die Fledermaus zu der Hexe, „wir setzen uns aufs Klavier!“ Die falsche Pensionatsleiterin gab vier Takte vor und lautstark begann die Schreckensteiner Kapelle den Hexenkessel anzuheizen.
    „Na endlich!“ rief Nixe Sonja hinauf. „Seit einer Stunde warten wir schon auf die berühmte Horror-Rock-Band!“
    Statt einer Antwort reichte ihr der Pinguin ein Mikrofon, der böse Bube Max, als Lehrer ihr Kollege, zog sie herauf und unter begeistertem Mitklatschen der Ritter und Mädchen sang die Nixe, die alle Melodien, alle Texte kannte, sang und sang, dass niemand mehr stillsitzen konnte, der Fliegenpilz sich immer schneller drehte und sogar die Schildkröte in ihrem Panzer zu zappeln anfing. Alles hopste und tobte durcheinander, der maxlose Moritz, die Witwe Bolte, Tisch, Geisha, Pirat, Ritterfräulein, Clown, Kunstreiterin, Igel, Fledermäuse, Mamas Liebling und alle andern, von den vier Muskeltieren bis zur Königin Cleopatra. Und dazwischen immer wieder aufrecht in voller Kraft und Schönheit Maharadscha Dampfwalze auf der Suche nach der richtigen Fledermaus. Nur die Hexe blieb auf dem Klavier sitzen und übernahm, als Stephan zur Überraschung der Mädchen seine neue Elektrogitarre hervorholte, das Akkordeon und hielt wacker mit.
    In
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