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Die schoenen Muetter anderer Toechter

Die schoenen Muetter anderer Toechter

Titel: Die schoenen Muetter anderer Toechter
Autoren: Miriam Muentefering
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anstrengenden Partie machen. Seit wir uns getrennt hatten, hatte sie im Gegensatz zu mir einige »Versuche« hinter sich. Doch keine der Bewerberinnen hatte die Prüfungszeit mit einer guten Beurteilung und der Chance auf Übernahme überstanden.
    »Gib mir einen Tipp. Welche hat Jackie heute aufs Korn genommen?«, fragte der Engel jetzt mit unschuldigem Augenaufschlag und sah sich lauernd um. »Lass mich raten: die da vorn mit dem roten Top, das so gar nicht zu ihrer Haarfarbe passt? Oder, nein warte, die da drüben ist es, in der ›Come-on-Eileen-Latzhose‹, die gerade ihre Zigarette ansteckt, obwohl heute Nichtraucherinnentag ist! Ja, die ist es!«
    Ellen kannte Jackie so lange, wie sie mich kannte, also seit fünf Jahren. Und seit Anfang an hatten die beiden sich gestichelt und gezankt. Keine konnte allzu viele guten Haare an der anderen lassen. Ich war davon, wie immer, überfordert und lachte vorsichtshalber ein bisschen.
    »Sie will eben nicht mehr allein sein. Wer kann es ihr verübeln?«
    Ellen sah mich neckisch an. »Höre ich da eine gewisse Wehmut aus deinen Worten? Könnte es sein, dass du heute auch hier bist, um mal wieder auf Fang zu gehen? Oh nein, sorry«, unterbrach sie sich selbst mit einem Blick an mir herab. »Das kann gar nicht sein. Sogar du würdest zu diesem Zweck andere Schuhe als diese anziehen.«
    »Sie sind bequem«, erwiderte ich ungerührt.
    »Klar. Birkenstocks sind auch bequem«, entgegnete Ellen trocken.
    Seit ich damals lernte, auf der Alm zu sein, waren meine Sachen immer wieder ein Punkt, an dem Ellen sich unverhältnismäßig leicht erhitzen konnte. Kleidung war für sie eine Visitenkarte. Für mich waren aber auch Visitenkarten nicht wichtig. Vielleicht bin ich ein Dinosaurierweibchen mit meinen sonderbaren Ansichten über die inneren Werte. Als Journalistin brachten sie mir immer wieder wunderbare Themen ein, die keine oberflächenorientierte Kollegin zu greifen verstand. Ich hatte also wenig Lust, mit Ellen über meine Schuhe zu diskutieren. Ich gähnte stattdessen betont und ließ meinen Blick über den Büchertisch schweifen. Ich könnte mir etwas Nettes aussuchen und mich damit einfach für ein, zwei Stunden an einen der Bistrotische zurückziehen …
    »Ich weiß, was dieses Gesicht zu bedeuten hat«, murrte Ellen. »Du langweilst dich und möchtest nach Hause, um zu lesen.«
    Was hatte ich erwartet? Wir waren immerhin vier Jahre lang ein Paar gewesen.
    »Nicht falsch verstehen!«, bat ich, denn eine von Ellens Künsten bestand darin, schneller gekränkt zu sein als die Kränkung brauchte, um ausgesprochen zu werden. »Ich freue mich, dich zu sehen, und vielleicht sollten wir uns mal wieder treffen, was meinst du? Ich finde nur das Ambiente hier nicht besonders passend. Es ist …«
    »… nicht mehr deine Welt!«, vollendete Jackie, die hinter mich getreten war, meinen Satz. »Aber vielleicht wird es ja wieder deine, wenn ich dir jetzt zeige, was ich von da oben aus erspäht habe.«
    Ellen zog eine Grimasse, die Jackie glücklicherweise nicht sah. Die beiden hatten sich zur Begrüßung betont wohlwollend zugenickt. Und nun schob Jackie sich in Position, direkt neben meine Schulter, und raunte mir zu: »Sieh genau über meine Schulter. Siehst du da hinten die Gruppe Frauen, die an der Säule stehen?« Ich nickte, und mir schwante Schlimmes. »Wie findest du die in der Eileen-Latzhose? Ist die nicht süß?«
    Ellen, die alles mitverfolgt hatte, wandte sich ab, um ihr Herausplatzen vor Jackie zu verbergen. Scheinbar hochinteressiert an der einschlägigen Lesbenliteratur, beugte sie sich bebend vor Lachen über einen Berg Taschenbücher.
    Jackie merkte nichts davon, sondern strahlte mich Beifall heischend an.
    »Was sagst du zu ihr? Sie ist die Frau, von der ich heute Nacht geträumt habe, bestimmt! Gut, sie hat keine dunklen Haare, sondern eher rotblonde, aber sie trägt eine kindlich verspielte Latzhose. Ich finde, das ist ein Zeichen. Soll ich hingehen, was meinst du?«
    Ich war gewiss nicht die Person, die sie in solch einer Sache befragen sollte. Aber um ihr einen Gefallen zu tun, warf ich noch einen Blick durch den Raum, hinüber zu der kleinen Gruppe lachender Frauen. Doch mein Vorhaben wurde vereitelt, weil eine Frau sich von rechts in mein Blickfeld schob.
    Und da geschah das, was man immer in Büchern liest oder in romantischen Filmen erwartet. Etwas, das zu erleben einfach unmöglich scheint.
    Denn ich sah sie.
    Déjà-vu-Erlebnisse kennt jede. Aber was, wenn
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