Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
mir und zum Feuersturm des Weltkriegs. Krieg um das Feuer, Feuer des Krieges. Bewegend, nicht wahr?«
    Lucien lachte, zog geräuschvoll die Nase hoch und legte Holz nach, indem er mit dem Fuß ein großes Scheit in den Kamin schob. Marc und Mathias lächelten kurz. Mit diesem unmöglichen, aber für das fehlende Drittel der Miete unentbehrlichen Typen würde man sich abfinden müssen.
    »Wenn unsere Differenzen zu schwerwiegend und die zeitlichen Abgründe unüberbrückbar werden«, schloß Marc und drehte seine Ringe, »brauchen wir folglich nur ein Feuer zu machen. Ist das so?«
    »Das kann helfen«, erwiderte Lucien zustimmend.
    »Ein weises Programm«, fügte Mathias hinzu.
    Und sie redeten nicht mehr von der Zeit und wärmten sich. Um die Wahrheit zu sagen, war das Beunruhigendste an diesem und an den kommenden Abenden das Wetter. Wind war aufgekommen, es regnete heftig, und Feuchtigkeit drang in das Haus. Die drei Männer sahen sich um und ermaßen nach und nach das Ausmaß der notwendigen Arbeiten. Noch waren die Räume leer, als Stühle hatten sie Kisten benutzt. Morgen würde jeder seine Sachen herbringen. Es mußte gegipst und gezimmert werden, die elektrischen Leitungen und alle Rohre mußten erneuert werden. Und Marc würde seinen alten Paten mitbringen. Er würde ihnen die Sache später erklären. Was das für ein Typ sei? Na, eben sein alter Pate, das sei alles. Gleichzeitig auch sein Onkel. Was denn sein alter Paten-Onkel so mache? Nichts mehr, pensioniert. Wie pensioniert? Von einer Arbeit halt. Was für einer Arbeit? Lucien ging einem mit seinen Fragen auf die Nerven. Eine Arbeit als Beamter halt. Er würde ihnen das später erklären.

 
     
5
     
    Der Baum war ein bißchen gewachsen.
    Seit mehr als einem Monat stellte sich Sophia jeden Tag an das Fenster im zweiten Stock, um die neuen Nachbarn zu beobachten. Das interessierte sie. Was sollte daran schlecht sein? Drei ziemlich junge Männer, keine Frauen, keine Kinder. Nur drei Männer. Sofort hatte sie den wiedererkannt, der sich die Stirn am Gitter rostig gemacht und ihr gesagt hatte, daß es eine Buche sei. Sie hatte sich gefreut, ihn da wiederzusehen. Er hatte zwei andere, ganz unterschiedliche Typen mitgebracht. Einen großen Blonden in Sandalen und einen Hektiker in grauem Anzug. Inzwischen kannte sie die drei bereits ganz gut. Sophia fragte sich, ob es schicklich sei, so zu spionieren. Schicklich oder nicht, es zerstreute sie, es beruhigte, und es brachte sie auf eine Idee. Sie machte also weiter. Den ganzen April hatten die Typen herumgefuhrwerkt. Bretter, Eimer, Säcke voller irgendwas auf Schubkarren und Kisten auf so Dingern transportiert. Wie hießen diese Dinger aus Eisen mit Rädern drunter? Das hatte doch einen Namen. Ach, ja, Sackkarren. Kisten, die sie auf Sackkarren transportierten. Gut. Renovierungsarbeiten also. Sie waren häufig kreuz und quer durch den Garten gelaufen, und auf diese Weise hatte Sophia ihre Vornamen aufschnappen können, wenn sie das Fenster einen Spalt aufließ. Der schwarzgekleidete Schmale war Marc. Der langsame Blonde hieß Mathias. Und die Krawatte war Lucien.
    Selbst wenn er Löcher in die Wände bohrte, behielt er seine Krawatte um. Sophia fuhr sich mit der Hand an den Schal. Na ja, jedem sein Ding.
    Durch das Seitenfenster einer kleinen Kammer im zweiten Stock konnte Sophia auch sehen, was sich im Inneren der Baracke abspielte. Die reparierten Fenster hatten keine Vorhänge, und sie dachte sich, daß wohl auch nie welche dort hinkommen würden. Jeder schien ein Stockwerk besetzt zu haben. Ein Problem war, daß der Blonde in seinem Stockwerk halb nackt arbeitete, oder fast nackt, oder eben ganz nackt, je nachdem. Vollkommen ungezwungen, so wirkte es jedenfalls. Unangenehm. Er war schön anzusehen, der Blonde, da lag das Problem nicht. Das Problem war, daß sich Sophia auf diese Weise nicht ganz im Recht fühlte, wenn sie sich in die kleine Kammer begab und ihn beobachtete. Abgesehen von den Arbeiten, die den jungen Männern bisweilen über den Kopf zu wachsen schienen, die sie aber mit Besessenheit ausführten, wurde da drüben viel gelesen und geschrieben. Regale waren mit Büchern gefüllt worden. Sophia, die auf den Steinen von Delphi geboren und allein durch ihre Stimme in die Welt getragen worden war, bewunderte jeden, der unter einer kleinen Lampe an einem Tisch saß und las.
    Dann war letzte Woche noch jemand anderes gekommen. Noch ein Mann, aber sehr viel älter. Sophia hielt ihn erst für einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher