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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin.
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Tastatur vor sich. Amy ließ sich zurückfallen. Wut. Einen Augenblick war sie so von Wut erfüllt, dass sie sich aufspringen sah und in der Mitte der Halle einen Schreianfall haben. Dann schob die Wodkamüdigkeit sich zwischen sie und die Wut, und alle Vorstellungen einer solchen Szene brachen in sich zusammen. Sie schüttelte den Kopf. »Danke.« sagte sie in Richtung Gertrud. »Falls Sie etwas zu mir gesagt haben, dann vielen Dank.« Sie stand auf und ging den Gang hinunter davon.
    Sie ging in den Umkleideraum. Locker room wurde das genannt. Es war im alten Teil der Gebäude der ehemalige Umkleideraum vor einem Turnsaal. Sie hatte gefragt, ob das hier eine Schule gewesen sei. Draußen waren durch die hochgelegenen Fenster die Seile zu sehen, die von der Decke hingen. Die vergitterten Lampen. Strickleitern. Die obersten Sprossen von Sprossenwänden. Im Turnsaal. Sie war nie drinnen gewesen. Die Türen waren versperrt, und wenn Licht zu sehen war und man drinnen Leute hören konnte. Sie hatte noch nicht herausfinden können, wie das war. Wer da turnte. Trainierte. Sie hatte fragen wollen, aber sie hatte nicht gewusst, an wen sie sich wenden hätte sollen. Für solche Fragen wäre Gertrud am besten gewesen. Aber Gertrud redete ja nicht mit ihr. Sie kicherte. Es war irgendwie schon sehr interessant, wie das hier lief. Wenn einen dann überhaupt niemand haben wollte, dann war das auch ein Ansporn. Das Wort gefiel ihr. Ansporn. Sie summte das Wort vor sich hin. Sie bog nach links und ging durch die Tapetentür neben der Hauptstiege des alten Hauses zum Turnsaal nach hinten. Ansporn. Ansporn. Das passte zu diesem Gebäude. Man kam aus dem Gang von der Rezeption her und stand dann vor dem Stiegenaufgang. Ganz knapp kam man davor zu stehen. Der Gang ein eckiger, dunkler Tunnel hinter einem. Sie hatte ein Gefühl, als würde sie die Stufen hinaufgetrieben. Von der Dunkelheit des Tunnels angetrieben. Die breiten Stufen, die sich im Halbstock teilten und rechts und links in den ersten Stock hinaufführten. Fenster rechts und links über diesen Seitentreppen. Staubig. Die Wintersonne von rechts. Ansporn. Wer diese Stufen hinauflaufen wollte, der brauchte Ansporn. Sie hätte Ansporn gebraucht. Brauchen können. Eine Vorladung zu einem Direktor oben, und man stieg schnell und bang die Stufen hinauf zum Büro. Anton war der Direktor, und er würde ihr sagen, dass sie nicht länger hier gewünscht war, und Gregory würde in der Ecke sitzen und zu den Worten des Direktors nicken. Man hatte es wieder versucht mit ihr, und sie hatte wieder nicht entsprochen. Ansporn, würde sie sagen. Sie hätte mehr Ansporn gebraucht. Mittlerweile redete sie ja zurück.
    Sie wandte sich zur Tapetentür links. Die ging nicht gleich auf. Sie rüttelte an der Tür. Die Türklinke blieb in ihrer Hand. Sie steckte die Klinke wieder zurück und drückte sie hinunter. Vorsichtig. Das Schloss funktionierte. Sie zog die Klinke heraus. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Sie schwang die Klinke und ging. Der Gang hatte Fenster links. Vergittert. Das Glas war undurchsichtig. Sternrissig. Rissglas. Niemand zu hören. Es roch staubig. Schule, dachte sie. Das war sicherlich eine Schule gewesen. Das alles sah nach Schule aus. Aber das Ganze im Nirgendwo. Wer sollte hier in die Schule gegangen sein. Sie stieß die Tür zum locker room auf und ging zu ihrem locker. Mein locker, dachte sie. Locker. Lockerer Ansporn. Sie sang leise. Lockerer Ansporn. Lockerer Ansporn. Singend beugte sie sich zum Schloss des Blechspinds mit der Nummer 37. Die Nummer 37 war am Ende der zweiten Reihe der Blechkästen, die aneinandergereiht dastanden. Die Blechschränke waren abgeschlagen und rund um die Schlösser zerkratzt. 50er Jahre, dachte sie und summte. Nein. Doch 70er Jahre. »Lockerer Ansporn.« Sie versuchte aufzusperren, ohne das Schlüsselband über den Kopf ziehen zu müssen. Sie summte und stand zum Schloss vorgebeugt und fummelte mit dem Schlüssel herum. Nach langem bekam sie das Schloss auf und hängte ihren Mantel an den Haken im Spind. Sie wollte wieder zusperren. Eine Frau stand neben ihr. Ganz nahe stand sie neben ihr und schaute mit ihr in den Kasten. Das wäre ein schöner Mantel, sagte sie und griff den Pelz ab. Warm wäre der. Sie zöge nur Mikrofaser an. Das wäre für diese Wetterlage oder für jede Wetterlage das Beste. Aber so ein altmodischer Pelz. Das wäre schon auch nett. Die Frau hatte den Mantel in die Hand genommen und strich mit dem Zeigefinger den
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